Ein toller Erzählband – Melancholisch, ergreifend und wunderbar geschrieben!
»Das Buch der entbehrlichen Gedanken« beinhaltet zehn Erzählungen von gewöhnlichen Menschen und ihren Alltagssorgen, von denen einige miteinander verbunden sind. Die Melancholie in den Geschichten durchbricht der Autor immer wieder gekonnt mit seinem unverwechselbaren Humor. Der Leser kann kaum Luft holen zwischen einem Bombenanschlag in Istanbul, einem mexikanischen Zirkus, einem gestrandeten Papagei, einem dreibeinigen Hund und vor allem einem Lichtschimmer, der sich trotz aller Widrigkeiten wie ein Silberstreifen durch das Buch zieht: die Hoffnung. Schicksalhafte Begegnungen gehören genauso auf die Straßen Istanbuls wie ein Papiersammler, der sich nur mit einem 5 Liter Tetra-Pak-Wein wärmen kann in dieser überfüllten und einsamen Stadt. (zur Verlagsseite)
Auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse entdeckte ich den Stand des binooki Verlags, der türkische Literatur auf Deutsch veröffentlicht, und nahm mir eine Leseprobe von Ömür Iklim Demirs Erzählband „Das Buch der entbehrlichen Gedanken“ mit. Das Buch lockte mit einem wunderschönen Cover und einem sehr interessanten Klappentext, und nach Lektüre der Leseprobe war mir klar: „Ich muss mehr davon lesen!“ Und ist dieses wahnsinnig schmucke Buch bei mir eingezogen. Vielen Dank an dieser Stelle an den binooki Verlag, dass ich dieses Buch mitnehmen durfte! Ich habe noch nie bewusst türkische Literatur gelesen und da Erzählungen doch immer nett sind, um sich mit einem Stil anzufreunden und mal „reinzuschnuppern“ in das, was die Erzählsprache des Autors so besonders macht, ist „Das Buch der entbehrlichen Gedanken“ ein wunderbarer Einstieg. Die Erzählungen sind keine fröhlich-seichten, sie handeln von fehlgeschlagenen Leben, Verlusten, Trauer und ganz viel Melancholie. Also genau meins! Nachdem ich also die ersten Geschichten verschlungen hatte, konnte ich mich gar nicht mehr losreißen, so sehr hat mich die Sprache ergriffen: Neben der melancholischen Untertöne findet man in Demirs Werk auch Lautmalerei und die Sprache wirkt fast poetisch. Die Geschichten selbst reichen vom Sohn, der sein Leben an sich vorbeiziehen lässt und sich um die demenzkranke Mutter kümmert, bis hin zur Witwe, die sich über eine Zeitungsannonce die zweite Liebe erhofft – die Situationen sind vielfältig und während sich einzelne, feine Handlungsfäden spinnen ist gar keine Zeit für Langeweile.
Das Leben war wie ein Traum, ich glaube, darum spielen meine Träume auch nie in der Kindheit. Es ist nicht leicht, den Traum eines Traums zu träumen.
Die Erzählsprache des Autors ist auf eine Art anders als alles, was ich bisher gelesen habe, der Rhythmus ist eigen und es ist schwierig, genau festzumachen, was mich als Leser hier so festgesaugt hat. Ömür Iklim Demir schafft es, selbst eine Geschichte aus der Sicht eines Hundes erzählt, so berührend zu gestalten, dass man als Leser gemeinsam mit den Chatakteren eine Achterbahn der Gefühle besteigt. Besonders gefallen hat mir die Geschichte „Drei Zimmer, Küche, halbes Leben“, die von einem Jugendlichen handelt, der sein gesamtes Leben innerhalb der Wohnung verbringen muss, da er aufgrund eines Unfalls eine schreckliche Gesichtsdeformierung davongetragen hat und seiner Mutter zufolge „die Nachbarn erschreckt“. Der Leser lernt Bruchstücke seines Lebens kennen, sowohl das jetzige als auch das vor dem Unfall. Wie er sich nie traute, Mädchen anzusprechen, und wie ihm sein jetziger Zustand im Jetzt davon abhält. „Einst, als der Salzstreuer die Stille tötete“ ist die oben bereits erwähnte Erzählung um einen Mann, der seinean Demenz erkrankte Mutter pflegt und währenddessen sein eigenes Leben an sich vorbeiziehen lässt, immer mehr Schulden anhäuft und Frau und Sohn schon „vertrieben“ hat. Die Geschichte dreht sich um den Tagesablauf der beiden, und um das traurige Schicksal, das ihnen noch bevorsteht.
Fazit: Diese kleinen Begebenheiten, Einblicke in das Leben normaler Menschen, die zu einem Zeitpunkt ihres Lebens womöglich eine falsche Entscheidung getroffen haben, einen falschen Weg eingebogen sind, und jetzt mit den Konsequenzen leben müssen, zeichnen „Das Buch der entbehrlichen Gedanken“ aus. Ömür Iklim Demir erzählt aber nicht nur von vom Glück verlassenen Menschen, sondern auch von kuriosen Zufällen und dem alltäglichen Leben in Istanbul. Diesen Erzählband kann ich jedem ans Herz legen, der gern etwas Außergewöhnliches liest, aber trotzdem auf dem Boden der Realität haften bleiben möchte. Für mich war Demirs Buch eine Reise in ein für mich erzählerisch neues Land, eine neue Sprache, eine neue Tonalität, und ich werde auf jeden Fall die Augen offen halten, ob demnächst nicht noch andere türkische Bücher, ob Erzählband oder Roman, auf meiner Leseliste landen werden.
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom binooki Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Ömür Iklim Demir, Das Buch der entbehrlichen Gedanken. binooki Verlag Gebundenes Buch, 165 Seiten ISBN: 9783943562637 Erschienen: 01.09.18
Liebe Tina
Da bin ich schon. Mit türkischer Literatur kenne ich mich ja leider viel zu wenig aus, um so schöner, dass du gleich ein passendes Buch empfehlen kannst, das mir sicher gefallen wird.
Danke dir
Livia
Danke fürs vorstellen!
Das Cover sieht schon mal wirklich gut aus!