Hochprätentiös, überheblich und mit mehr Füllwerk als Story — der Buchpreis-nominierte Titel enttäuscht leider.
Kurt Prinzhorn ist zu einem Schriftstellertreffen nach Innsbruck eingeladen, wo ihm Merkwürdiges widerfährt: Jemand muss während seiner Abwesenheit ein ausgiebiges Schaumbad in der Wanne seines Hotelzimmers genommen und dort bewusst Spuren hinterlassen haben. Als nächstes verschwindet der Schlüsselbund des zunehmend ratlosen Autors. Während einer Moskau-Reise wenige Tage später kommt es zu neuen Unerklärlichkeiten, und auch in Madrid reißt die Kette seltsamer Geschehnisse nicht ab. Am nächsten Morgen klingelt die Polizei an der Tür seiner Berliner Wohnung, denn unter dem Fenster von Prinzhorns Zimmer in Madrid wurde eine tote Frau gefunden. (zur Verlagsseite)
So, jetzt soll ich also etwas zu Falkners Buch schreiben. Dieses Exemplar war in diesem Jahr sogar auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Der Klappentext klang vielversprechend und auch die Leseprobe aus dem Shortlist-Leseprobenheftchen hat mir sehr zugesagt. Zack, Tina muss auch mal etwas von dieser „richtigen“ Literatur lesen, die hochgelobt ist und Preise gewinnt (vielleicht). Beim Zuklappen des Buches geraume Zeit später war mir jedoch nicht so richtig klar, was ich da gerade gelesen habe. Und ob ich überhaupt etwas vom Inhalt wiedergeben könnte, da alles so konfus war. Kurzgefasst geht es um den Autor Kurt Prinzhorn und den mysteriösen Kriminalfall, der sich um ihn zu entspinnen scheint. So sind merkwürdigerweise eine ganze Menge fremder, langer Haare an seiner Seife und sein Schlüsselbund fehlt auch. Nicht zu vergessen seine Notizbücher mit lauter wichtigen.. nun ja, Notizen. Jedoch finden weder er noch die Polizei Spuren eines Einbruchs. Kurt wird Verwirrtheit zur Last gelegt, hätte er doch die Schlüssel bestimmt anderweitig verloren. Dem ist jedoch nicht so, und als Kurz weiter nach Moskau reist, scheint ihn seine Stalkerin weiter zu verfolgen, er fühlt sich beobachtet und vielleicht auch ein wenig paranoid. Als die ominöse Frau ihn jedoch selbst nach Madrid zu verfolgt haben scheint, reißt Kurts Geduldsfaden und er nimmt die Verfolgung auf.
Neben der eigentlich ganz interessanten Hauptstory gibt es auch in „Romeo oder Julia“ jede Menge Füllwerk. So jagt Kurt mit seinen Autorenfreunden von einem Schauplatz oder Hotel zum Nächsten, führt mehr oder weniger intelligente Gespräche und lernt selbstverständlich auch die eine oder andere Frau kennen. Das „Füllwerk“ ist jedoch nicht halb so interessant wie die Geschichte um das Stalking: Plattitüden häufen sich, der Erzählung fehlt es an Schwung und Schmackes, und die Charaktere (selbst Kurz!) wirken platt. So findet man mitunter einen Satz wie Folgenden mitten im Text, ohne dass er sich schämt:
Ich ergriff ihre Hand und fühlte mich ergriffen.
Um meine Gefühle während der Lektüre dieser Sätze zu beschreiben, muss ich leider zum Slang greifen: cringe! Und nicht nur der oben genannte Satz ist cringe-worthy, um es in Worte zu fassen, sondern immer wieder tauchen komische Wortgebilde und Wortgeschwulste auf. Der Text macht den Eindruck, als wäre er hoch prätentiös und kommt ein wenig schnöselig daher. Ob das Ganze mit dieser hippen Ironie geschrieben wurde oder nicht, kann ich leider nicht nachvollziehen. Die Handlung erschien mir leider ebenso schwammig, obwohl ich nicht sagen könnte, dass ich unaufmerksam gelesen hätte oder dergleichen. Ich habe nur nicht den Zusammenhang zwischen all diesen Leuten, diesen Partys und unserem Herrn Protagonisten gesehen, alles schien belanglos hingekleckst, manchmal auch zum Schmunzeln, meistens aber zum Kopfschütteln.
»Merkst du denn nicht, dass ich dir ein Geständnis mache?«
»So ein Geständnis aus einem Mund wie deinem gleicht allzu sehr dem Blitz, der nicht mehr ist, noch eh man sagen kann: Es blitzt –«
»Oh my God, give me a break!«, sagte sie leise.
Dieses Zitat bringt wundervoll auf den Punkt, wie ich mich die meiste Zeit bei der Lektüre gefühlt habe. Versteht das nicht falsch, es gibt nicht nur hochgestochene, unfassbar abgedroschene Passagen, sondern auch Freude machende, stumpf niedergeschriebene Szenen, und gelegentlich bekommen wir auch die Präsenz des Erzählers zu spüren, und dann wird es gut. Aber die meiste Zeit… nein. Der Protagonist kommt zudem sehr überheblich rüber und selbst in seinen Rückblicken auf das eigene, vergangene Leben, habe ich entsetzt festgestellt, dass er es auch tatsächlich ist.
Das Einzige, was mir an „Romeo oder Julia“ gut gefallen hat, war die Anspielung auf Shakespeares Werk im Titel und auch in einer speziellen Szene, die auch später den Ausgang der Geschichte bestimmt (sort of). Wobei mir die Motive der Stalkerin immer noch sehr schwammig vorkommen. Etwas weit hergeholt.
Fazit: Vielleicht fehlt mir einfach das literarische Vorwissen, um diesen Roman angemessen zu genießen, denn ohne dieses gibt es für mich in Falkners Werk nichts „zu holen“, wenn man es denn so ausdrücken möchte. Ich habe bisher noch keinen Roman von der Long- oder Shortlist des Deutschen Buchpreises gelesen und kann daher nicht beurteilen, ob und inwiefern alle diese Romane ein gewisses „Niveau“ eint. Bei Falkners „Romeo oder Julia“ habe ich mich jedoch als Leser nicht gut aufgehoben gefühlt. Wie der NDR bereits so schön in seiner Buchbesprechung zum Titel schrieb: „Ist das nun ironisch und damit lustig – oder einfach unsagbar schlecht?“ Ich kann es euch nicht sagen und gebe somit keine Leseempfehlung aus – wer sich an diesen Roman traut, bekommt eine Prise Krimi, gepaart mit einem kräftigen Schuss Hochmut und (im Stile von Ready Player One) einer dicken Handvoll Anspielungen und Zitate aus Werken, die der Gelegenheitsleser möglicherweise nicht kennt.
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Berlin Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Gerhard Falkner, Romeo oder Julia. Berlin Verlag im Piper Verlag. Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 272 Seiten ISBN: 9783827013583 Erschienen: 01.09.2017
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