Ein fluffiger Roman über ein ernstes Thema, der leider voll an mir vorbei gerauscht ist.
Als Rahel Wald aus einem heftigen Fiebertraum erwacht, versteht sie erst mal gar nichts. Wo ist sie, warum ist es so laut hier, was sind das für Schläuche überall? Nach und nach beginnt sie zu verstehen: Sie ist im Krankenhaus. Sie lag im Koma. Doch richtig krank sein hatte sie sich irgendwie anders vorgestellt. Als Komödienautorin kennt sich Rahel durchaus mit schrägen Figuren und absurden Situationen aus, aber so eine Reise von der anderen Seite zurück ins Leben ist dann doch noch mal eine eigene Nummer. Vor allem, wenn der Medikamentenentzug Albträume und winkende Eichhörnchen hervorruft. Etwas wird Rahel immer klarer: Ihr Leben ist viel zu kostbar, um es nach fremden Erwartungen auszurichten. Von jetzt an nimmt sie es selbst in die Hand.
Dieses Buch hat mich mit seinem grandiosen Klappentext angelockt und auch das Eichhörnchen auf dem Cover mag sein übriges dazu beigetragen haben, denn Anika Deckers Roman „Wir von der anderen Seite“ musste ich einfach sofort lesen! Zumal ich sehr viele Bücher über den Tod oder Krankheitsverläufe lese, zuletzt das thematisch ähnliche „Der Riss“ von Hye-young Pyun. Doch leider habe ich wohl vergessen, dass man asiatische nicht mit deutscher Literatur gleichsetzen kann, vor allem nicht stilistisch, und so wurde ich aufgrund meiner hohen Erwartungen an dieses Buch leider herb enttäuscht. Nach der Leseprobe hatte ich irgendwie etwas anderes erwartet. Die flotte, lockerleichte Sprache konnte mich da bereits überzeugen, nudelte sich aber relativ schnell aus. Zugegeben, den Witz und Charme unserer Protagonistin mochte ich sehr, und auch die Story an sich hat mir sehr gut gefallen, doch mit einigen Elementen konnte ich so gar nichts anfangen. Das beginnt mit dem ursprünglichen Lifestyle Rahels und hört bei ihren oftmals wirren Gedankengängen an. Im Grunde genommen habe ich wohl einfach etwas weniger leichte Kost erwartet, sondern vielmehr auf den nächsten „Riss“ gehofft, der eine ernstere, mit Humor gesprenkelte Ansichtsweise von Krankheit und Siechtum zeigt. Aber da deutsche Literatur keine koreanische ist, bin ich vermutlich mit einer falschen Erwartungshaltung an das Buch herangegangen.
Ein Krankenhaus ist wie ein Kafka-Roman. Überall schwirren geschäftige Menschen herum, trotzdem kann niemand Auskunft erteilen. […] Für alles muss ein Arzt geholt werden, aber genau das scheint im Krankenhaus nahezu unmöglich zu sein.
Dabei könnte die Geschichte um Drehbuchautorin Rahel Wald und ihrem Krankheitsverlauf spannender nicht sein: Nach einer Sepsis mit Organversagen wurde sie ins künstliche Koma versetzt und schafft es nur mit Mühe und gewaltigem Durchhaltevermögen, langsam in ihr altes Leben zurückzufinden. Dabei merkt sie auch, wie oberflächlich ihre Welt, ihr Job und auch ihre Bekanntschaften eigentlich sind und dass sie selbst sich auch nicht immer so toll verhalten hat. Die eigentlich runde Story wird allerdings durch den oben erwähnten Schreibstil stark abgeschwächt – oft hatte ich das Gefühl, dass die gesamte Handlung (die aus Rahels Sicht erzählt wird) sehr oberflächlich und gelegentlich sogar lächerlich beschrieben wird – obwohl Rahel ja selbst erkennt, dass sie selbst in der Vergangenheit viel zu viel Wert auf falsche Werte gelegt hat. Auf jeder Seite reißt Rahel zudem fast schon zwanghaft Unmengen von Witzen, was mir persönlich überhaupt nicht zusagt. Natürlich versucht sie als Protagonistin, irgendwie mit ihrer um 180 Grad umgedrehten Situation klarzukommen, auf der anderen Seite ist sie neben den Witzchen liebend gern das arme Opfer, um das sich alle kümmern müssen; weiterhin ist sie auch komplett abhängig von ihrem Freund. Erst, als das Buch dem Ende zugeht, wird sie zu einer starken Kämpferin und übernimmt die Verantwortung für ihr eigenes Glück.
Fazit: Ein lockerleicht geschriebenes Buch mit einer anspruchsvollen Thematik, das mich irgendwie nicht so recht abholen konnte. Bereits nach einigen Seiten, die über die Leseprobe hinausgehen, wurde mir klar, dass ich vermutlich nicht zur Zielgruppe dieses Buches gehöre; „Wir von der anderen Seite“ war mir unerwartet zu sehr „leichte Kost“, die leider komplett an mir vorbei geht.
Anika Decker / Wir von der anderen Seite / Ullstein Verlag / Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 381 Seiten / ISBN: 9783550200373 / Erschienen am: 26.07.19 / zur Verlagsseite
Schade, dass das Buch dich nicht cashen konnte! Ich finde auch, dass es grundsätzlich recht ansprechend klingt.
Liebe Grüße