Einer jungen Frau stehen die Türen zu einer Welt aus Glanz und Glitter offen. Sie ist groß, schlank und ausgesprochen hübsch. Gerade hat sie an einer Elite-Uni ihren Abschluss gemacht und arbeitet nun in einer Kunstgalerie. Sie wohnt im teuersten Viertel der Stadt, was sie sich leisten kann, weil sie ein kleines Vermögen geerbt hat. Es könnte also nicht besser laufen in ihrem Leben… In Wirklichkeit jedoch wünscht sie sich nichts sehnlicher, als ihrer Welt den Rücken zu kehren. Von einer dubiosen Psychiaterin lässt sie sich ein ganzes Arsenal an Beruhigungsmitteln, Antidepressiva und Schlaftabletten verschreiben. Mithilfe der Medikamente will sie »Winterschlaf halten«.
Den ganzen Tag schlafen? Oh ja, das würde ich allzu gerne machen, auch gerne ein paar Tage am Stück. Einfach nur rumlümmeln, lesen, mich umdrehen und noch mehr schlafen. Der Begriff „Winterschlaf“ ist Musik in meinen Ohren. Aber Tabletten dafür nehmen und ein Jahr fast ohne Unterbrechung durchschlafen? Hmmm, da hört es glaube ich auf bei mir. Unsere Protagonistin macht genau das. Nach dem Tod ihrer Eltern und einer unschönen Trennung ist das einzige, was sie noch tun möchte, schlafen. Schlafen zur Traumabewältigung. Schlafen als Therapie. Um sich danach wie neugeboren zu erheben und mit neuer Energie ins Leben zu starten. So weit, so gut. Ums Finanzielle muss unsere Hauptfigur sich keine Sorgen machen, mit ihrem Erbe ist sie gut versorgt, und so besorgt sie sich einen Haufen Tabletten und los geht’s.
Und ich muss sagen, nach den ersten Seiten hat mich Ottessa Moshfegh direkt in Beschlag genommen mit dieser wahnwitzigen Idee. Die Protagonistin ist überzeichnet und auch ein wenig unsympathisch, aber das macht gerade auch den Charme dieser Geschichte aus. Bis auf den Mittelteil, der sich doch sehr zieht, gefällt mir auch das Pacing und ich konnte das Buch kaum weglegen. Dennoch hat das letzte Kapitel ein wenig die Luft rausgelassen, weshalb ich mit keinem rundum guten Gefühl aus dem Buch gegangen bin.
… schon bald war ich ständig auf Tabletten und schlief Tag und Nacht mit kurzen zwei- bis dreistündigen Unterbrechungen. Das war gut, fand ich. Endlich machte ich etwas wirklich Sinnvolles. Schlaf kam mir äußerst produktiv vor. Etwas löste sich. Tief in meinem Herzen wusste ich – und das war vielleicht das Einzige, was mein Herz damals wusste, dass alles gut werden würde, sobald ich genug geschlafen hätte.
„Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“ schlummerte (hihi) schon einige Zeit auf meinem SUB, bis @bearnerdette begeistert von ihrer Lektüre berichtete und ich auch ganz motiviert war, zu starten. Im Endeffekt bin auch sehr froh darum, da diese Geschichte in ihrer Art einzigartig war und ich jetzt neugierig bin auf die anderen Werke der Autorin – „Eileen“ liegt bspw. auch seit einigen Jahren auf dem SUB, das wird bestimmt demnächst hervorgekramt.
Ottessa Moshfegh / Mein Jahr der Ruhe und Entspannung / Liebeskind Verlag / Gebundenes Buch, 320 Seiten / ISBN: 978-3-95438-092-3 / Erschienen am 24.09.18 / zur Verlagsseite