Elektrische Geschichten über die Zukunft, Außerirdische und die Realität — was ist real und was nicht?
Philip K. Dick hat die Science Fiction nicht erfunden, aber aus ihr eine Kunst gemacht. Mit prophetischem Blick und genialer Fantasie sah er Szenarien voraus, in denen unsere Gegenwart zum Alptraum wird. Jede Erzählung untersucht, was es bedeutet, in einer sich rasant verändernden Welt Mensch zu sein. Diese zehn Stories stehen hinter den zehn Episoden von »Electric Dreams«, nach »The Man in the High Castle« die zweite Erfolgsserie nach Philip K. Dick. Lesen Sie und Ihr Denken wird neu programmiert! (zur Verlagsseite)
Direkt nachdem ich erfahren hatte, dass es eine Serie zu einigen von Philip K. Dicks Kurzgeschichten geben würde, war ich voller Vorfreude. Als dann auch noch diese zehn Kurzgeschichten in einem Sammelband erschienen, musste dieser natürlich her. Zwar sorgt das Cover bei mir für Kopf- und Augenschmerzen, aber dem S. Fischer Verlag kann man da keinen Vorwurf machen, da dies ebenfalls das Cover der Originalausgabe ist. „Electric Dreams“ beinhaltet also die Geschichten, die mit der Serie auf die Bildschirme gebracht wurden, und nachdem ich mit Begeisterung „Do androids dream of electric sheep?“, die Story hinter Blade Runner, gelesen hatte, war ich natürlich auch sehr gespannt auf die „neuen“ Kurzgeschichten. Die Filme, die auf Dicks Werken basieren, mochte ich schon immer gerne, das bereits erwähnte „Blade Runner“ gehört ja zu den Klassikern, aber bekannt sind ja auch „Minority Report“, „The Adjustmeant Bureau“ oder auch „Total Recall“ sind genau meine Schiene. Also her mit Philip K. Dicks „Electric Dreams“!
Wer bereits einige der Kurzgeschichten kennt und die Serie schaut, hat vermutlich schon gemerkt, dass es allerhand Unterschiede und Ergänzungen gibt, der Regisseur hat sich hier viel künstlerische Freiheit genommen. (Vor allem bei den Sexszenen… in keiner Kurzgeschichte gibt es auch nur eine solche Andeutung!) Jedenfalls fand ich, dass sich Serie und Buch wunderbar ergänzen, im Buch findet der geneigte Leser kleinere Details, im TV-Format mehr Kreativität, ausschweifende Interpretationen und, nun ja, Sexszenen. Was beide Formate jedoch gemein haben, ist der wahnsinnige Ideenreichtum, den Philip K. Dick in den 1950er Jahren vorgelegt hat. Futuristische Welten, Dystopien und fremde Galaxien hat der Autor uns mit seinen Werken stets ein wenig näher gebracht. In Dicks „Electric Dreams“ gibt es Zeitschranken, Parallelwelten mitten in unserer eigenen, Berufsverkehr zwischen Ganymed und der Erde und auch Außerirdische, die in den Körper geliebter Menschen schlüpfen. Während bei einigen Geschichten der Fokus auf der Menschlichkeit und deren Freiheiten liegt („Der Haubenmacher“, „Menschlich ist“), spielt Dick auch mit dem Gedanken, Aliens könnten uns oder unsere Welt übernehmen („Der Gehenkte“, „Foster, du bist tot“).
Wo die Serie sich pro Folge knapp eine Stunde Zeit nimmt, Dicks Fantasien darzustellen und auch weiterzuspinnen, sind die Kurzgeschichten jeweils nur 20-30 Seiten lang. Die Sprache, die Dick für seine Werke verwendet, ist stets technisch-nüchtern, die Charaktere sind (vermutlich aufgrund der Länge) nur skizziert und erfüllen den Zweck der Geschichte einfach nur, indem sie diese erleben. Dennoch findet man beispielsweise in der Kurzgeschichte „Menschlich ist“ zwei Personen, die etwas mehr Charakter „abbekommen“ haben, denn ohne diesen würde ihre Geschichte nicht funktionieren: Jill und Lester sind verheiratet, aber nicht besonders glücklich – also Jill zumindest nicht. Ihr Mann ist ein Tyrann und eindeutig Choleriker, doch als er von einer Mission auf Rexor IV wiederkehrt, ist er völlig verändert; liebevoll, aufmerksam und der Mann, der Lester für Jill niemals war. Ist er wirklich einfach nur wie ausgewechselt oder wurde er wortwörtlich ausgewechselt? Wohnt ein Alien in Lesters Körper? In dieser Kurzgeschichte stellt Dick die Frage, ob ein Außerirdischer im Körper eines Mannes, der sich zuvorkommend und zärtlich verhält, menschlicher sein kann, als ein Mann, der cholerisch ist und seinen Tag nur mit Wutausbrüchen verbringt.
Fazit: Eine wunderbare Sammlung an Kurzgeschichten – auch wenn diese nur in neuer Auflage erschienen sind, weil die Serie zu „Electric Dreams“ erschienen ist. Aber welcher Anlass ist denn besser, um sich mit der klassischen Science Fiction zu befassen und nachzulesen, was vor über 50 Jahren über die Zukunft geschrieben wurde? Ich finde das immer sehr spannend, weshalb ich beispielsweise neulich „The machine stops“ von E.M. Forster aus dem Jahre 1906 nachgeholt habe. Wie Menschen vor unserer Zeit sich die Zukunft vorgestellt haben, ist ein sehr spannendes Thema, vor allem, da wir ja jetzt in dieser Zukunft leben — wenn natürlich auch nicht so, wie viele Schriftsteller dies niedergeschrieben haben (was vielleicht auch ein bisschen schade ist, ich für meinen Teil hätte nichts gegen eine Reise nach Alpha Centauri oder generell ins All 🙂 ). Philip K. Dicks Kurzgeschichten kann ich euch jedenfalls empfehlen. Auch, wenn ich euch hier nicht viel vom Inhalt verraten habe, denn die meisten dieser Kurzgeschichten lassen sich bereits in zwei Sätzen zusammenfassen und dann ist schon Spoiler-Gebiet. Ich hoffe, ihr seht es mir nach!
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom S. Fischer Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Philip K. Dick, Electric Dreams. S. Fischer Verlag Taschenbuch, 238 Seiten ISBN: 9783596906703 Erschienen: 22.02.18