Was, wenn unsere smarten Haushaltsgeräte smarter sind, als sie es sein sollten? Dieses Buch treibt Nutzen und Möglichkeiten des Missbrauchs von IoT-Geräten auf die Spitze.
Nach vielen Jahren in Flüchtlingsheimen und Notunterkünften kann Salima endlich in ein Hochhausapartment umziehen. Das Gebäude ist zwar neu, aber damit fangen die Probleme erst an: Der intelligente Toaster gibt auf einmal den Geist auf und nimmt nur noch das Brot der Toastermarke an. Dann fällt der Kühlschrank aus. Als Salima feststellt, dass selbst der Fahrstuhl die ärmeren Mieter benachteiligt, fasst sie einen Entschluss. Es muss doch einen Weg geben, sich in die Haushaltsgeräte zu hacken und sie wieder frei verfügbar zu machen! Gesagt, getan…
Cory Doctorow ist den meisten von euch vermutlich bereits bekannt, ich habe allerdings bisher noch nichts vom Autor, Blogger und politischen Aktivisten gelesen, den scheinbar jeder kennt. Mit „Wie man einen Toaster überlistet“ erschien im Heyne Verlag jüngst seine neueste Novelle im schicken Hardcover. Einige mögen bereits über die Länge (132 Seiten) stutzig werden, denn schreibt er doch generell längere Werke. Bei diesem Buch handelt es sich jedoch um eine von vier Novellen, die im englischen Original gebündelt unter dem Titel „Radicalized“ erschienen sind. Ob es die drei weiteren Novellen noch in eine Extra-Ausgabe schaffen, ist bisher leider nicht bekannt. „Wie man einen Toaster überlistet“ ist eine dystopische Erzählung, die den „Internet of Things“-Wahn auf die Spitze treibt: Smarte Elektronikgeräte sind vor allem im Haushalt nichts Neues mehr. Doch was, wenn Großkonzerne bestimmen wollen, welche Konsumgüter wir einkaufen?
Wenn ich mit dem Notizblock in die Schule gehe, kann ich alles aufschreiben, was ich will. […] Ich kann Seiten herausreißen und Flugzeuge falten, ich kann kritzeln oder aufschreiben, was der Lehrer sagt. Wenn ich die Schuhe anziehe, kann ich damit gehen, wohin ich will. Ich kann mich mit jeder Sorte Papier abwischen… Aber ich kann in meinen Toaster nicht jedes Brot stecken, das ich toasten will.
In Cory Doctorows Novelle ist durch Partnerschaften zwischen Herstellern der Geräte und Produzenten von entsprechenden Konsumgütern bereits beim Kauf des IoT-Geräts vorgegeben, welche Produkte damit verwendet werden können. Sprich: Der Toaster toastet nur Brot der Marke Boulangism. Wird versucht, unautorisiertes Brot in den Schlitz zu schieben, verweigert das Gerät seinen Dienst. Darüber ärgert sich auch unsere Protagonistin Salima, die nach Jahren in Unterküften für Flüchtlinge und Auffanglagern endlich ihr erstes eigenes Reich zugeteilt bekommt: eine kleine Mietwohnung. Doch der schöne Schein verfliegt schnell, als sie merkt, dass es zwei verschiedene Aufzüge gibt: einen für die Vollzahler und einen für die Bewohner der subventionierten Wohnungen. Während der Aufzug der Vollzahler ganz normal seinen Dienst tut, fährt der Aufzug für die anderen nur, wenn gerade kein Fahrstuhl der Vollzahler in Benutzung ist – also so gut wie nie. Salima und ihre neugewonnenen Freunde müssen oftmals bis zu 45 Minuten warten, bis sie der Aufzug gütigerweise zu ihrer Wohnung im 40. Stockwerk transportiert. Wer nicht so lange warten will oder kann, ist angehalten, die Treppen zu benutzen. Als sie dann auch noch mitbekommt, dass Boulangism pleite ist und sie fortan kein knuspriges Toast mehr essen kann, obwohl das Gerät einwandfrei funktioniert, platzt Selina der Kragen und sie beschließt, das Gerät zu hacken und sich gegen den Kapitalismus zu wehren. Doch als sie übermütig wird und auch den Fahrstuhl hackt, werden gewisse Leute auf sie aufmerksam…
Doctorow schafft es, ein äußerst gesellschaftskritisches Thema spannend und zugleich unterhaltsam aufzubereiten, sodass man als Leser förmlich durch die Seiten fliegt – der schnörkellose Schreibstil des Autors trägt dazu allerdings auch bei. „Wie man einen Toaster überlistet“ bleibt bis zum Ende hin interessant und man fiebert richtig mit Salima und ihren Nachbarn mit, dass alles gut geht. Ich mag außerdem sehr, dass die Geschichte wirklich nicht weit hergeholt ist – die Handlung spielt zwar in der Zukunft, könnte aber genauso gut in zwei, drei Jahren geschehen, viel fehlt da nicht. Und das ist zugleich das Erschreckende, denn der Leser wird mit dem Gesicht in die Problematik gedrückt, die sich durch die Kombination aus Kapitalismus und Technologie ergeben. Auch das Thema Urheberrecht spielt eine zentrale Rolle in Doctorows Novelle – eines seiner meistdiskutierten Themen.
Fazit: Diese Novelle ist nicht nur kurz, knackig und wunderbar kurzweilig, sondern beschäftigt sich auch mit wichtigen und brandaktuellen Themen wie Einschränkungen, Fortschritt, Manipulation und nicht zuletzt Kapitalismus. „Wie man einen Toaster überlistet“ macht sehr viel Spaß, ist aber zugleich auch sehr erschreckend, wenn man feststellt, wie wenig uns noch fehlt, um in den „Genuss“ dieser technischen Entwicklungen zu kommen. Mich hat dieses Buch neugierig auf mehr gemacht und wer weiß, vielleicht zieht demnächst ein weiterer Doctorow bei mir ein?
Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Heyne Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Cory Doctorow / Wie man einen Toaster überlistet / Heyne Verlag / Gebundenes Buch, 172 Seiten / ISBN: 978-3-453-32015-4 / Erschienen am: 08.04.19 / zur Verlagsseite
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