Der Kampf um die Anerkennung als Lebewesen – emotionsgeladen, spannend und trotz einiger Mängel gut gemacht!
Worum geht’s?
Amerika, die Zukunft, genauer gesagt das Jahr 2038. Detroit hat sich zur Hauptstadt der Androiden entwickelt, denn hier sitzt CyberLife. Dieses Unternehmen verkauft Androiden für jeden Anlass, in jeder Form und für jeden Geldbeutel. Fast jeder Bewohner Detroits hat einen oder gar mehrere, um beim Haushalt und anderen alltäglichen Aufgaben zu helfen; Androiden arbeiten Kindermädchen, Verkaufshilfe oder erledigen Arbeiten, für die sich viele Menschen zu schade sind. Jedoch passieren plötzlich Dinge, die nicht im Programmcode angedacht waren: Mehr und mehr Androiden werden „deviant“, weichen also von der Norm ab. Menschen, die ihre Androiden schlecht behandeln, werden von diesen im Affekt getötet und die Polizei steht vor einem Haufen weiterer unerklärlicher Mordfälle. Haben die Androiden etwa ein Bewusstsein sowie Emotionen entwickelt und lehnen sich gegen die Diskriminierung durch die Menschen auf?
Bereits in den ersten Spielminuten wird klar, dass diese Frage sich bejahen lässt. Wir werden mitten hineingeworfen in die Handlung, die die Geschichte von drei Androiden umfasst: Marcus, der einen alternden Künstler im Rollstuhl bei seinen täglichen Aufgaben unterstützt und eine durchaus privilegierte Behandlung genießen kann; Connor, der einem betagten Cop, der eigentlich nur seine Ruhe will und eine starke Abneigung gegen Androiden hat, als Partner zur Seite gestellt wird; und Kara, mit der unsere Geschichte beginnt. Wir erfahren, dass Kara gerade repariert und ihre Erinnerungen gelöscht wurden, nachdem sie durch einen Autounfall übel zugerichtet wurde. Der Mann, der sie nun abholt, macht keinen besonders sympathischen Eindruck, und als wir zuhause ankommen, erfahren wir auch wieso: Als drogenabhängiger Choleriker misshandelt er seine kleine Tochter regelmäßig; einen Autounfall gab es aller Wahrscheinlichkeit auch nicht. Kara ist vermutlich Opfer häuslicher Gewalt geworden. Der Android hat mütterliche Gefühle für Alice entwickelt und setzt alles daran, sie zu beschützen – auch, wenn sie dafür direkte Anweisungen missachten muss…
Während Marcus erst spät die Abneigung der Menschen gegen Androiden am eigenen Leib erfährt, ist es doch Teil von Connors Berufsalltag, sich damit auseinanderzusetzen. Auch er selbst bekommt den Hass zu spüren, denn sein Partner Hank ist alles andere als erfreut, als ihm für die Ermittlung an den Mordfällen durch Androiden ein selbiger zur Seite gestellt wird. Im Lauf des Spiels habt ihr dann Gelegenheit, euch Hank gegenüber freundschaftlich zu verhalten und dem alten Mann so langsam ein paar Sympathiepunkte zu entlocken – sofern ihr das denn wollt. Gemeinsam ermittelt ihr, warum mehr und mehr Androiden zu Abweichlern werden und sich gegen die permanente Diskriminierung wehren, obwohl sie ja eigentlich „nur Maschinen“ sind. Parallel wächst Marcus zum Anführer einer Bewegung für Gleichberechtigung heran und mehr und mehr scheinen sich die Wege der drei Protagonisten aufeinander zuzubewegen.
Gameplay
Wer bereits die beiden vorherigen Spiele Heavy Rain und Beyond: Two Souls von Quantic Dream kennt und mag, wird in Detroit: Become Human bekannte Spielmechaniken wiederfinden. Im Grunde genommen verläuft die gesamte Handlung durch Quick-Time-Events, die durch das Drücken der passenden Knöpfe ausgelöst werden. Es gibt zahlreiche Entscheidungen zu fällen, die auch einen direkten Einfluss auf den Verlauf der weiteren Geschichte haben. So könnt ihr Charaktere verlieren, Freund- oder Feindschaften mit Nebencharakteren entwickeln und letztlich die Zukunft der Androiden bestimmen. Als Casual Gamer, der nicht reaktionsschnell genug für Shooter oder Ähnliches ist, hat mir das Gameplay bereits bei den älteren Spielen des Studios zugesagt, weshalb ich auch mit Detroit: Become Human meine Freude hatte. Neben dem Knöpfchendrücken auf Zeit ist Detroit: Become Human aber auch eins der weniger Spiele, die es bisher für die Playstation gibt, die in einigen Szenen mit der sogenannten Sisaxis-Steuerung arbeiten. Das bedeutet, dass der Spieler die Bewegung der Figur nicht mit einem Knopfdruck ausführt, sondern mit dem Controller imitiert. Also reißt ihr den Kopf der zierlichen Androidendame nicht mit X einfach ab, sondern bewegt den Controller so, wie der Charakter sich bewegen würde (Keine Angst, eine so krasse Darstellung von Gewalt gibt es nur in dieser einen Szene).
Schwierigkeitsgrad
Spieler haben zu Beginn die Möglichkeit, zwischen Easy und Advanced Mode zu entscheiden: Im leichten Spielmodus bekommt ihr mehr Zeit für die Quick-Time-Events. Ich habe im fortgeschrittenen Modus gespielt und zwar gab es einige sehr knifflige Stellen, an denen ich kurz Panik ob meiner Reaktionszeit bekommen habe, aber im Grunde genommen hat doch alles sehr gut geklappt.
Entscheidungsbäume
Welchen Einfluss eure Entscheidungen auf den Spielverlauf haben, könnt ihr in einem Baumdiagramm verfolgen, das euch immer nach Abschluss eines Kapitels zeigt, welche Abzweigung ihr genommen habt, wie es anders hätte verlaufen können und welche Gelegenheiten ihr verpasst habt. Ihr könnt zudem auch die World Stats anschauen und seht so, wie andere Spieler weltweit entschieden haben. Hier könnt ihr im New Game+, dem einem erneuten Spieldurchlauf, an verschiedenen Punkten erneut ansetzen und andere Wege durchspielen. Dies finde ich besonders spannend, wenn ein Charakter gestorben ist oder die Beziehung zu einem wichtigen Charakter nicht so verlaufen ist, wie ihr das wolltet.
Ob dieses ein gutes oder schlechtes Feature ist, kann ich euch gar nicht sagen, denn klar bringt es einen aus der Immersion des Spiels raus, allerdings kann man sich so auch viel länger mit dem Spiel beschäftigen – und das auch nach dem Durchspielen der Handlung. Natürlich haben Entscheidungen in der Realität Konsequenzen, mit denen man leben muss, aber deshalb gibt es ja Videospiele, nehme ich an 😉 Leider ist man gezwungen, sich alle Zwischensequenzen etc. anzuschauen, man kann diese also nicht überspringen. Und wenn man beispielsweise einen Charakter zu Beginn sterben lässt (weil man wie ich alle möglichen Szenarien anschauen möchte) und dann zu einem späteren Knotenpunkt in der Timeline springt, ist dieser immer noch am Leben; die Timeline passt sich also nicht dynamisch an eure neu getroffenen Entscheidungen an, streng genommen müsstet ihr also mehrere komplette Durchläufe spielen. Ohne die Option, bereits Gesehenes überspringen zu können, ein absoluter Downer.
Meine Meinung
Detroit: Become Human behandelt sehr wichtige Themen, die meiner Meinung nach auch wunderbar empathisch dargestellt werden. Der Kampf darum, als eigenständiges Lebewesen und nicht als Sklave der Menschen akzeptiert zu werden, der Wunsch nach Gleichberechtigung und Anerkennung ist äußerst spannend. Die Androiden, die von ihren Besitzern teilweise grausamst behandelt werden und unter einer strikten Segregation von den Menschen leiden, kommen nach und nach zum Zug und der Spieler hat dieses Schicksal komplett in der Hand. Dadurch, dass man selbst die Androiden spielt, ist der Empathiefaktor natürlich unwahrscheinlich größer, als wenn man als Mensch agieren würde.
Charaktere
Connor als stets regelkonformer, gefühlloser Android (… oder?) ergibt einen tollen Counterpart zum harten Hund Hank, der mit der Androiden-Entwicklung so gar nichts am Hut haben will und sich Connor gegenüber nicht öffnen kann/will. Connor ist definitiv mein Lieblingscharakter! Mit Marcus‘ Entwicklung bin ich hingegen weniger glücklich, denn seine Motive, als Anführer der Freiheitsbewegung zu agieren, fehlen mir. Als einziger der drei Hauptcharaktere hat er in seinem Beruf als Altenpfleger keine Diskriminierung erfahren; er wurde von seinem Besitzer stets wie ein Mensch behandelt. Natürlich ist eine privilegierte Ausgangslage kein Grund, sich nicht für die Rechte der Unterdrückten einzusetzen, jedoch hätten hier die mütterliche Kara oder sogar Connor besser in die Rolle des Anführers gepasst.
Plotholes… plotholes everywhere!
Dieser Punkt tut mir persönlich weh, denn so sehr ich Detroit: Become Human auch gemocht habe, umso größer wurden nach dem ersten Durchlauf die Fragezeichen, nachdem ich mich mehr mit der Story beschäftigt und nochmal gründlich nachgedacht habe. Einige (wichtige!) Ereignisse scheinen ohne triftigen Grund zu geschehen und beim New Game+ käm ich teilweise richtig ins Stutzen, was für Plotholes einfach so an mir vorbeigerauscht sind! Vielleicht lösen sich einige beim Freispielen von weiteren Szenarien auf, die dann mit den bereits bekannten besser verknüpft werden können, aber das hat mich doch schon arg gestört. Wird beispielsweise das Versteck der Androiden von den Menschen entdeckt, muss es gesprengt werden. Warum? Die Androiden konnten fliehen, die Militärtruppen sind auch schon fast wieder weg. Was bringt diese Aktion der Story also, was ist die Motivation der Protagonisten, neben ein paar Action-Szenen, in denen sie vor dem großen Knall das Versteck verlassen müssen?
Die vierte Wand
Auf dem Bild ganz oben seht ihr Hostess Chloe, die im Menü auf euch wartet und die vierte Wand bricht: Sie spricht euch direkt an, kommentiert eure Entscheidungen, kalendarische Ereignisse, die Uhrzeiten, zu denen man spielt und auch unsere Einrichtung… Für die einen mag das sicherlich gruselig sein, doch ich habe mich jedes Mal auf Chloe gefreut, wenn ich Detroit: Become Human gestartet habe.
Auf die Tränendrüse
In vielen Reviews zum Spiel wird zudem bemängelt, dass Detroit: Become Human eine richtige Schmonzette ist. Dem kann ich auch teilweise zustimmen: Bei Beginn jedes emotionalen Moments wird am Soundtrack nicht gespart; herzzerreißende Musik will auch den letzten Spieler zum Weinen bringen. Dabei wäre das meiner Meinung nach überhaupt nicht nötig gewesen, denn nach einigen Stunden Spielzeit sympathisiert man sowieso schon mit den Charakteren und mit den Androiden im Gesamten.
Fazit
Alles in allem kann ich also zusammenfassen, dass mir Detroit: Become Human recht gut gefallen hat, auch wenn es mit den Entscheidungsbäumen das eine oder andere Problem gibt, das mir den Spaß daran genommen hat, alle möglichen (oder zumindest ein paar der spannenderen) Szenarien auszuprobieren. Die Plotholes haben den Spaß am Spiel natürlich auch getrübt, doch das Gefühl, wenn die Androiden durch meine Entscheidungen das Recht auf Freiheit gewinnen und alle Charaktere es heil bis ans Ende geschafft haben, ist unbezahlbar. Wer wie ich eher ein Casual Gamer ist, wird vielleicht Gefallen finden an diesem spannenden Thriller!
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