Eine nicht so ganz störrische Braut, ein seltsamer Bräutigam, eine lustige Geschichte – ein seichtes Lesevergnügen, aber leider nicht mehr.
Titel: Die störrische Braut
Autor: Anne Tyler
Verlag: KNAUS
Klappentext: Kate Battista ist frustriert. Wie kommt es eigentlich, dass sie ihrem exzentrischen Vater brav den Haushalt führt und sich um ihre jüngere Schwester Bunny kümmert, die nur Flausen im Kopf hat? Auch in ihrem Kindergartenjob gibt es immer nur Ärger. Professor Battista hat andere Sorgen. Seit Jahrzehnten widmet er sich beharrlich seiner Forschungsarbeit, nun steht er kurz vor dem Durchbruch. Wenn, ja wenn sein brillanter Assistent Pjotr nicht des Landes verwiesen wird. Die Aufenthaltsgenehmigung des Weißrussen läuft bald ab. Als Professor Battista einen Plan ausheckt, um Pjotr in Amerika zu halten, verlässt er sich wie immer auf seine ältere Tochter. Doch Kate sieht rot – und Pjotrs tollpatschiges Werben um ihre Gunst macht die Sache erst einmal auch nicht besser. Eine herrlich turbulente Komödie um einen manipulativen Vater, eine sich heftig zur Wehr setzende Tochter und einen Bräutigam, in den sich die Braut wider Willen zu guter Letzt doch noch verliebt. (zur Verlagsseite)
Feingefühl, Zurückhaltung, Diplomatie. Was war eigentlich der Unterschied zwischen Feingefühl und Diplomatie? Vielleicht bedeutete „Feingefühl“, etwas höflich zu sagen, während „Diplomatie“ bedeutete, gar nichts zu sagen. Aber umfasste „Zurückhaltung“ nicht alle drei? Menschen neigen dazu, verschwenderisch mit Sprache umzugehen; das hatte Kate längst bemerkt. Sie benutzten viel mehr Wörter als notwendig.
„Die störrische Braut“ ist die Neuerzählung von Shakespeares „Der widerspenstigen Zähmung“ im Rahmen des Hogarth Shakespeare Projekts, bei dem mehrere Werke Shakespeares neu erzählt im KNAUS Verlag erscheinen.
Kate Battista ist eine junge Frau, die Betreuerin in einem Kindergarten ist, ihr Studium abgebrochen hat, und den Rest ihrer Zeit daheim bei der Hausarbeit und im Garten verbringt. Nun soll sie aber, auf Wunsch ihres Vaters, der ein wichtiges Autoimmunprojekt betreibt, seinen Laborassistenten „Pjoder“ Pjotr heiraten, der sonst sehr bald wieder in seine Heimat geschickt wird, da sein Visum ausläuft. Abgeneigt von dem jungen Russen und seiner Schroffheit, und wütend auf ihren Vater, der ihr anscheinend nicht zutraut, dass sie, das große, schlaksige Mädchen, sich selber einen Mann sucht, ist sie ziemlich ablehnend gegenüber der ganzen Idee. Als sie aber erfährt, dass es sich um eine reine Papierehe handeln soll, muss sie doch überlegen, ob sich daraus nicht doch einige Vorteile für sie erzielen lassen…
„Die störrische Braut“ ist ein Buch wie keines, was ich bisher gelesen habe. Ich muss gestehen, „Der widerspenstigen Zähmung“ nicht gelesen zu haben, daher war mir die Geschichte auch neu und ich wusste auch noch nicht, wie sie ausgeht. Erzählt wird in einer federleichten Sprache, sodass man das Buch schon fast in einer Sitzung verschlingen kann. Die Dialoge sind authentisch, aber da der Erzähler keinen Einblick in die Gefühle der Charaktere gewährt, hat man doch nicht das Gefühl, dass man hundertprozentig die Handlungen der jeweiligen Person nachvollziehen kann.
„In meine Land gibt es Sprichwort: ‚Vorsicht vor süße Menschen, denn Zucker allein macht nicht satt.'“
Das war interessant, und Kate entgegnete: „Also in meinem Land heißt es, dass man mit Honig mehr Fliegen fängt als mit Essig.“
„Ja, soll“, bemerkte Pjotr geheimnisvoll. […] „Aber warum soll man Fliegen fangen, hm? Darauf will ich Antwort, Essigmädchen.“
Die Beziehung zwischen den beiden zu Vermählenden beginnt frostig, wird auch nur sehr, sehr langsam etwas wärmer. Kate bemerkt ungefähr in der Mitte des Buches, dass seine Haltung, seine Art, seine Art zu reden, „fremd“ wirkt, obwohl die beiden sich da schon eine Weile kennen. Nach und nach taut Kate aber endlich etwas auf, und beginnt, Vorzüge daran zu entdecken, mit Pjotr verheiratet zu sein, oder zumindest dafür, bei ihm zu wohnen. Spätestens beim Wohnungsrundgang kommt das Gespräch zwischen den beiden langsam ins Rollen, man merkt, dass Kate sich allmählich wohl fühlt in seiner Gegenwart:
„Ich habe nur Stimmen gehört, nicht Wörter. Eltern saßen zusammen im Wohnzimmer. Frau hat gesagt: ‚Murmel, murmel?‘ Mann hat gesagt: ‚Murmel.‘ Frau hat gesagt: ‚Murmel, murmel, murmel?‘ Mann hat gesagt: ‚Murmel, murmel.'“
Kate hatte keinen blassen Schimmer, worauf Pjotr hinauswollte.
„Vielleicht willst du manchmal mit mir hier in Wohnuzimmer sitzen? Du sagst: ‚Murmel?‘, und ich sage ‚Murmel, murmel.'“
„Oder du sagst ‚Murmel?‘ und ich sage ‚Murmel, murmel'“, schlug Kate vor. Womit sie ausdrücken wollte, dass in ihren Augen nichts dagegensprach, dass er der Zögerliche und sie die Entschiedene wäre.
Spoilerwarnung! (weiterscrollen für ein spoilerfreies Fazit) Nachdem Kate sich anfangs erfolgreich gegen die Hochzeit und vor allem gegen Pjotr sträubt, willigt sie schlussendlich natürlich doch noch ein. Ihre Entscheidung kann ich aber leider nicht ganz nachvollziehen, sie hat zwar gewisse Vorteile, aber ob die ausreichen, darüber kann man nur spekulieren, da man ihre Gedankengänge nicht verfolgen kann. Ihre Entscheidung wirkt deshalb etwas überschnell, und nachdem die Trauung vorbei ist und Pjotr ziemlich wütend verschwindet, um verschwundene Labormäuse zu suchen, scheint es auch so, als hätte sie tatsächlich einen Fehler begangen. Doch als er sie später zum Hochzeitsessen bei ihrem Verwandten abholt, ist er der perfekte Gentleman, und man bekommt so noch sein Happy End.
Spoilerfreies Fazit: „Die störrische Braut“ ist ein ganz spezielles Buch. Es ist keine Romanze, aber auch keine Familiengeschichte, es ist keine Komödie, aber auch kein Drama. Es ist ganz schwer einzuschätzen! Da ich das „Original“ nicht gelesen habe, kann ich natürlich auch keine Vergleiche ziehen, was die Handlung betrifft. Ich fand die Geschichte jedenfalls sehr interessant, war gespannt auf den Charakter der Kate, und vor allen Dingen, wie es ausgeht, ob die beiden heiraten oder nicht, ob es eine lieblose Ehe wird oder ob jeder am Ende des Buches seines eigenes Weges geht. Eine witzige Story, die sehr gut zu lesen ist, ideal für einen schönen faulen Sonntagnachmittag auf dem Sofa.
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom KNAUS Verlag / Random House zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Anne Tyler "Die störrische Braut", KNAUS Verlag, ISBN: 9783813506556. Zitate: S. 33, S. 115 & S. 151.
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Hmm, vielleicht sollte ich doch erst das Original lesen. Dann hat man eventuell ja einen besseren Einblick in die Gefühlswelt der Figuren. 🙂 Ich finde es auch sehr schade, dass das Buch so dünn ist!
Liebe Grüße
Maren
Wie dick ist denn das Original?
Also das mit der Gefühlswelt kommt in Tylers Version viel zu kurz, man hat keinen Einblick in die Gedankenwelt von Kate, das finde ich nicht gut geglückt.
Wenn du das Original gelesen hast, musst du mal berichten! Vielleicht hole ich das dann auch noch nach. 🙂
Tina