In „Ein Winter in Sokcho“ treffen zwei Suchende aufeinander – stimmungsvoll, melancholisch und leise.
Im eiskalten Sokcho, einem Küstenort kurz vor Nordkorea, begegnen sie sich: die junge Angestellte der Pension und der Künstler aus der Normandie. Während er die Stille von Sokcho zum Zeichnen sucht, möchte sie ihr entfliehen. Mit jedem Gespräch, jedem Spaziergang durch das winterliche Nirgendwo kommen die beiden einander näher. Zwei Gestrandete, die sich nach einem Neuanfang sehnen und ihn jeder auf seine Weise wagen. (zur Verlagsseite)
Dieses Buch hat mich mit seinem wunderschönen Cover sofort angelockt und der Klappentext klang auch vielversprechend. Was zunächst als „kommen sie zusammen?“-Liebesgeschichte daherkommt, ist aber in Wahrheit so viel mehr. Elisa Shua Dusapin hat in ihrem Erstlingswerk „Ein Winter in Sokcho“ so viele Emotionen, Träume und Hoffnungen verarbeitet, dass das knapp 140 Seiten dünne Bändchen fast schon wie ein kleines Kunstwerk anmutet. Doch zurück zum Anfang: Es geht um eine junge Hotelangestellte, die mit jeder Faser ihres Körpers dem kalten Sokcho und der ewig währenden Monotonie entfliehen möchte. Als dann ein attraktiver, aber sehr zurückhaltender und eigenbrötlerischer Mann ins Hotel kommt, um in Ruhe an seinem neuesten Comic zu arbeiten, ist sie sofort sehr interessiert und es beginnt ein gemächliches, zurückhaltendes Hin und Her. Doch schnell wird klar, dass beide etwas völlig unterschiedliches wollen: Sie will raus aus ihrem Trott, in das schöne Frankreich ziehen, und er, der der Stadt überdrüssig ist, sucht ein wenig Abgeschiedenheit und Frieden.
Das Kratzen der Feder war nun langsam und regelmäßig wie ein Wiegenlied. Vor dem Einschlafen versuchte ich mir die Bilder genau einzuprägen, die er in mir erschaffen hatte, sie nicht zu vergessen, da ich wusste, wenn ich morgen in sein Zimmer ging, würden sie verschwunden sein.
Hinter dem pastelligen Cover mit der Schnörkelschrift verbirgt sich nicht nur eine leise, traurigschöne Geschichte, sondern auch sehr viel zwischen den Zeilen. So wird in „Ein Winter in Sokcho“ nicht nur sehr viel geschwiegen und geträumt, sondern vor allem gehofft. Unsere junge Protagonistin hofft auf einen Ausbruch aus dem ihr überdrüssigen Hotelalltag, sie möchte nach Frankreich, zu ihren Wurzeln, denn sie ist halb Koreanerin, halb Französin. Frankreich kennt sie bisher allerdings nur aus Romanen. Der mysteriöse Comiczeichner, der einige Zeit im Hotel verbringt, kann sie daher wenig ernst nehmen, wenn sie behauptet, sie verstünde das Land. So ergibt sich ein stilles Hin und Her zwischen den beiden Charakteren.
Dadurch, dass sie im Hotel das Mädchen für alles ist, entdeckt sie beim Säubern seines Zimmers auch seine Zeichnungen. Es scheint so, dass er keine Frauenfiguren zeichnen kann. Allabendlich hört sie aus dem Nebenzimmer das Rascheln seiner Feder, beobachtet durch einen Türschlitz seine stete Hand, wie sie sich beim Portrait einer Frau verliert, bevor das Schwarz Überhand nimmt und das Bild ruiniert. Wieso kann er keine Frauen zeichnen?
Fazit: Dieser Roman ist wie ein Gedicht. Elisa Shua Dusapin schafft es, auf diesen 140 Seiten eine solche Sogkraft zu entwickeln, eine solche Immersion, dass es schwerfällt, den Roman aus der Hand zu legen. Muss man zum Glück aufgrund seiner Kürze eigentlich auch nicht. Dusapins Sprache ist leise, ihr Erzählstil stimmungsvoll und dicht. Die kurze Geschichte, die die Autorin hier webt, ist keine Romanze, sondern gibt vielmehr einen kleinen Einblick in das Leben zweier Seelen, die zufällig aufeinandertreffen. Eine absolute Leseempfehlung für alle, die in das winterliche Sokcho abtauchen und sich darin verlieren möchten.
Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Aufbau Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Elisa Shua Dusapin, Ein Winter in Sokcho. Blumenbar im Aufbau Verlag Gebundenes Buch, 139 Seiten ISBN: 9783351050511 Erschienen: 14.09.18
Liebe Tina,
oh wow! Dieses Buch klingt ja großartig! Bisher habe ich auf deiner Seite immer nur das wunderschöne Cover des Buches gesehen, doch gerade habe ich mir Zeit genommen, um die Rezension zu lesen und ich muss ehrlich sagen, dass es mich auch inhaltlich sehr anspricht. Es erinnert mich ein wenig an „Acht Berge“ von Paolo Cognetti. Dies ist auch ein kurzweiliger, ruhiger und doch sehr intensiver Roman über eine lebenslange Freundschaft in den italienischen Bergen.
Ich werde dieses Buch auf jeden Fall im Hinterkopf behalten und auf meine Wunschliste setzen, denn du hast mich sehr neugierig darauf gemacht. Ohne deine Rezension wäre ich wohl niemals darauf aufmerksam geworden, deswegen danke ich dir hierfür von ganzem Herzen!
Herzliche Grüße,
Sabrina