Das Leben in den Siebzigern in Schweden: Ein überehrgeziger Vater, seine Frau und drei nichtsnutzige Kinder.
Alles kommt anders, immer! Das lernt der strenge Matti, als er mit Frau und Kindern von Finnland nach Schweden umsiedelt. Er verkauft nützliche Insekten zur Schädlingsbekämpfung und sieht seinen eigentlichen Lebensinhalt darin, den Nachwuchs auf das richtige, das harte Leben vorzubereiten. Die wollen jedoch lieber Billard spielen, Samthosen tragen und nichts tun. Der Zeitgeist der Siebziger Jahre macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Aber eins der Kinder soll sein Lebenswerk erben, bevor er stirbt. Matti ersinnt eine List. (zur Verlagsseite)
„Rechne immer mit dem Schlimmsten“ von Petteri Nuottimäki erzählt die Familiengeschichte der Aaltos, die sich, nur um nicht ganz oben im Telefonbuch zu stehen, in „Alto“ umbenennen lassen haben. So skurril das klingt, umso skurriler ist die ganze Familienbande. Dieses Buch beschreibt das Leben Mattis, seine Zeit während des Krieges, seine Beziehung zu seiner Frau und letztendlich auch das Leben seiner Kinder. Von klein auf begleitet man die drei, der vierte kam schon als kleines Kind beim Spielen mit einer Granate ums Leben. Doch so sehr Matti sich für die Erziehung der Kinder eingesetzt und sich bemüht hat, diese zu ehrgeizigen Personen zu erziehen, scheint doch alles aus dem Ruder zu laufen: Raimo häuft Spielschulden an, Elina umgibt sich immer noch mit den falschen Jungs und Antti… nun, der Jüngste der Baggage, Antti, zeigt überhaupt kein Talent für irgendetwas. Doch einem dieser Nichtsnutze muss Matti sein Unternehmen vererben, in das er ein Leben lang sein Herzblut gesteckt hat; besonders jetzt, wo er krank ist, muss jemand den Laden übernehmen. Doch wie soll er sich zwischen diesen Nieten, die seine Kinder sind, entscheiden, um das Unheil noch gering zu halten?
„Rechne immer mit dem Schlimmsten“ ist Petteri Nuottimäkis erster Roman. Der gebürtige Finne erzählt mit einer Riesenportion schwarzem Humor die Lebens- und Leidensgeschichte Mattis. Dieser muss nicht nur schauen, dass sein Geschäft gut läuft, sondern auch dafür sorgen, dass aus seinen nicht gerade ehrgeizigen Kindern noch etwas wird. Und sowieso hat er sie doch anders erzogen, Kämpfer sollten sie sein, die sich gegenseitig übertrumpfen wollen! Doch leider ist dem nicht so. Alle seine Kinder scheinen ihm nur Ärger zu machen. Seitdem einer der Zwillinge, Risto, als kleiner Junge umgekommen ist, ist sowieso alles anders. Ohne es zugeben zu wollen, fühlen Matti sowie Ristos Zwillingsbruder Raimo sich amputiert. Doch für Gefühle ist im Hause Alto keine Zeit: Jedes Jahr zum Geburtstag muss das Geburtstagskind sich vor Mattis Schreibtisch stellen und verkünden, wie seine Zukunftspläne aussehen und was bisher dafür unternommen wurde. Man könnte meinen, dass diese Erziehung zu realistischen Träumen und das ewige „Kleinhalten“ Mattis Kindern nicht gut getan hat. Schließlich ist der Eine eine schlimmere Enttäuschung als der Andere. Als Matti krank wird und sein Unternehmen einem seiner Kinder vermachen muss, greift er daher zu einem ausgeklügelten Plan: Jedem seiner Kinder stehen 100.000 Kronen zu, und jeder darf damit machen, was er will. Der, der aus seinem Geld jedoch das Beste macht und echten Unternehmergeist zeigt, soll Mattis Unternehmen erben. Gesagt, getan. Es beginnt das Chaos, wenn Raimo, Elina und Antti losziehen, um etwas auf die Beine zu stellen, das ihren alten Herrn überzeugen wird…
Matti war es gar nicht wichtig, dass die Kinder viel Geld verdienen oder berühmt werden sollten. Er wollte ihnen nur helfen, in einer harten, unbegreiflichen Welt zurechtzukommen. Er wollte sie nicht zu Menschen erziehen, die am Ende unter die Räder kamen und zurückbleiben mussten.
Mit sprühendem Witz und Fußnoten voller Anekdoten erzählt der Autor die Geschichte der Altos, die sich bloß nicht hervortun möchten, das Mittelfeld sei ja viel sicherer. Der Leser genießt tiefe Einblicke in die teils doch illegalen Machenschaften und Pläne der Alto-Kinder, die auch nur teilweise mit Erfolg gekrönt sind. Jedoch kann man als Leser nie ganz eintauchen, irgendetwas stimmt nicht. Und dann fällt es einem wie Schuppen von den Augen: Die Gefühle! Außer dem Humor, der sich durch das Buch zieht, bringt Nuottimäki keinerlei Gefühle in das Buch ein. Als Leser ist man weder geschockt noch traurig, als vom Tod des kleinen Raimo erzählt wird, ebenso, als man erfährt, dass Matti krank ist. Das Lesevergnügen bleibt leider ein oberflächliches und selbst nach eigentlich anrührenden Szenen gegen Ende, die aber doch nicht ihre volle Wirkung entfalten, bleibt man doch ein wenig missmutig zurück.
Da er nicht für immer leben würde, fand er es so wichtig, den drei Zwergenhirnen der Familie Kampfgeist einzuflößen. Insbesondere dem letzten Geleeklumpen.
Fazit: Nuottimäkis Debütroman ist humorvoll, gar keine Frage, erzählt auch eine tolle Familiengeschichte, jedoch hängt ein großer Wermutstropfen über dem Leser; denn als dieser erfährt man keine richtige Immersion, man fühlt sich fast etwas „ausgesperrt“. Womöglich ist einiges bei der Übersetzung verloren gegangen, aber trotz der eigentlich soliden Familiengeschichte, die mich ab Mitte des Buchs doch noch überraschen konnte, hat mich dieses Buch nicht mit einem Lächeln zurückgelassen, wie ich es bei dem großzügig verteilten Humor doch angenommen hatte. „Rechne immer mit dem Schlimmsten“ ist ein lustiger Familienroman mit lauter verrückten Charakteren, einem Vater, der alles richtig machen will, und jeder Menge Chaos. Wer etwas Leichtes fürs nächste Wochenende sucht, ist hiermit womöglich gut bedient, allen anderen kann ich diesen Roman nur eingeschränkt empfehlen.
Titel: Rechne immer mit dem Schlimmsten Autor: Petteri Nuottimäki HarperCollins Verlag Gebunden mit Schutzumschlag, 356 Seiten ISBN: 9783959676618 Erschienen: 10.04.2017
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom HarperCollins Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!