Schwer zu fassender Roman, der den Leser irgendwie unbefriedigt zurücklässt.
Der eine Sommer im Leben, der alles verändert: Es ist heiß auf Pantelleria, flirrend heiß, und der letzte Sturm hat die Quallen in die Bucht getrieben, wo Tina sie jetzt eine nach der anderen aus dem Wasser fischt und auf den Beton wirft. Es ist der erste Sommer ohne den Vater. Die Mutter ist nach der Trennung mit ihren beiden Töchtern alleine auf die Insel gefahren. Zwischen Rosmarin und Kapernblüten, salziger Haut und sonnenverbrannten Gesichtern, glitzerndem Wasser und felsigen Buchten erleben Tina und ihre Schwester die Fatalität des Erwachsenseins. (zur Verlagsseite)
Puh, wo soll ich anfangen? Dieses „Sommerbuch“ wurde mir direkt vom Hoffmann und Campe Verlag empfohlen, weshalb ich sofort zusagte, denn Klappentext und Cover lockten mich schon ein wenig. Dass dieses Buch leider so gar nicht meins war, ist umso bedauernswerter, denn damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Den versprochenen Tiefgang gab es, allerdings auf eine Art und Weise, die mich leicht verwirrt zurückließ. Doch zum Anfang: Es geht um die achtjährige Tina, die unter der Scheidung ihrer Eltern leidet. Ihre Mutter hat Tina und ihre Schwester mit zum Urlaub (der allerdings länger anzudauern scheint) auf eine italienische Insel genommen; dort verbringen die drei ihren ersten Sommer ohne den Vater. Tinas Schwester Bea ist sich ihrer aufblühenden Weiblichkeit schon sehr bewusst, Tina jedoch wird von vielen für einen Jungen gehalten, vor allem anscheinend, weil sie mit ihren acht Jahren noch kein Bikini-Oberteil trägt. Allerdings bemüht sich Tina auch nicht, die Sache aufzuklären, es ist ihr sogar unangenehm, wenn ihre Mutter sie mit ihrem Namen ruft. Während Tina den ganzen Tag damit verbringt, aus dem vor Quallen wimmelnden Meer ebendiese herauszufischen und zu töten, legt Bea es darauf an, Jungs aufzureißen. Doch die anfangs so perfekte, so harmonische Fassade der Insel und ihrer Bewohner bzw. Urlauber droht zu bröckeln.
Tina. Mit diesem unentrinnbaren a. Ihr kam der Verdacht, dass ihre Mutter es absichtlich tat: So konnte sie der ganzen Cala und dem Bar-Restaurant Alta Marea verkünden, dass Signora Ottaviani aus Urbino zwei Töchter hatte.
Mit diesem Buch wurde ich irgendwie nicht warm. Während mir die Charaktere Tina mit ihrer verschlossenen, beobachtenden Art, und Bea, die aufblühende, angriffslustige, gut gefallen haben, war die Art, wie Alessio Torino diese Geschichte erzählt, sehr verwirrend. Zu schnell wurden zu viele andere Personen eingeführt und ich konnte außer Stefano und seiner Freundin Parì, eine Profi-Schwimmerin, nicht zwischen den übrigen Charakteren unterscheiden. Die Charaktere führten zudem an ihrem Treffpunkt, dem „Alta Marea“, einem kleinen Restaurant, Gespräche, denen sich mir jeglicher Sinn entzogen hat. Diese Perspektive (wir erfahren alles aus Tinas Sicht) hat mich doch stark an „Kenia Valley“ erinnert, in dem der junge Theo bei den viel älteren Valley-Bewohnern herumhängt und deren Gespräche zu verstehen versucht. Dieses Gefühl kam auch bei „Über mir die Sonne“ auf: Tina, die den Gesprächen der Erwachsenen lauscht, versucht, aus diesen Gesprächen eine Erkenntnis über das Erwachsensein zu ziehen, und ihrer Gefühle für die sportliche Parì, die Tina allerdings auch für einen Jungen hält. Alessio Torino formt den Roman nahezu zu einem Kammerspiel, da die Urlauber die Insel plötzlich nicht mehr verlassen können und sich so Streitigkeiten aufbauen. Und mittendrin ist der Anruf des Vaters, der die jungen Schwestern aus der Bahn wirft, sie daran erinnert, dass es letzten Sommer noch anders war. Eigentlich müssten Verlust und Trauer in Torinos Roman viel präsenter sein, doch scheinen zumindest alle erwachsenen Charaktere etwas zu unterdrücken, sie erscheinen festgefahren, selbst Tinas Mutter scheint die Scheidung bereits überwunden zu haben.
Fazit: „Über mir die Sonne“ lässt sich wunderbar leicht und in kurzer Zeit lesen. Der flüssige Schreibstil spiegelt sich jedoch leider nicht in der Geschichte wider, die mir zu merkwürdig erscheint, zu wenig geradeheraus. Besonders durch das Ende des Buches fällt es mir schwer, in Retrospektive ein Fazit zu ziehen. Was ich aber definitiv sagen kann, ist, dass „Über mir die Sonne“ vielleicht auf einer sonnigen Insel spielt, aber zumindest für mich kein Sommerbuch ist. Die Leichtigkeit, die diesen Büchern zugeschrieben wird, fehlt hier komplett, stattdessen muss man als Leser selbst auf Spurensuche gehen, was der Autor uns hier vermitteln möchte.
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Hoffmann und Campe Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Alessio Torino, Über mir die Sonne. Hoffmann und Campe Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 160 Seiten ISBN: 9783455001471 Erschienen: 14.03.18