Die Jahre 4-7 der einstigen „Röhre“, die diesmal leider nicht begeistern kann.
Titel: Liebessabotage
Autor: Amélie Nothomb
Verlag: Diogenes
Klappentext: Man nehme eine Horde Kinder jeglicher Nationalität und sperre sie ohne Aufsicht ein, zum Beispiel im Diplomatenghetto San Li Tun in Peking. Wer meint, die Gören würden nun mit ausgestreckter Freundeshand aufeinander zugehen, ist ein bißchen naiv. Schon bald haben die Diplomateneltern keine Zeit mehr, sich um den internationalen Frieden zu bemühen, denn ein Weltkrieg wütet unter ihren Kindern.
In keinem Geschichtsbuch der Welt, keiner Pressemeldung wird er erwähnt: der Weltkrieg, der von 1972 bis 1975 in San Li Tun, dem Diplomatenghetto von Peking, tobte. Und doch hat er stattgefunden. Während sich nämlich Diplomateneltern aus aller Welt um die Balance des internationalen Friedens bemühen, spielen ihre Kinder Krieg zum Zeitvertreib – sie halten die Friedensbemühungen der Erwachsenen für verlogene Scheinmanöver, für schlechte Operette. Ein Leben ohne Feind ist langweilig, findet die Ich-Erzählerin, die mit sieben Jahren die Jüngste der kleinen Armee ist und sich als Mittelpunkt der Welt fühlt. Bis sie der wunderschönen Elena begegnet und sich unsterblich in sie verliebt. Durch die zehnjährige Italienerin eröffnet sich ihr noch ein anderer Kriegsschauplatz. Elena wird ihr trojanischer Krieg, ihre Liebessabotage. (zur Verlagsseite)
Der Krieg war das vornehmste aller Spiele. Schon das Wort klang wie eine Schatztruhe, die man gewaltsam aufbrach. Das Funkeln der Kleinodien sprang uns in die Augen: Dublonen, Perlen und Gemmen, vor allem anderen aber kamen die berauschende Gewalt, die prachtvollen Risiken, Plünderungen, unaufhörlicher Terror und schließlich das Juwel der Juwelen, die Zügellosigkeit, die Freiheit, die uns um die Ohren pfiff und uns zu Titanen machte.
Mein zweites Nothomb-Buch! Nach „Metaphysik der Röhren“ war ich schon sehr gespannt, wie es in ihrem Leben weitergeht, und zum Glück hat sie einige autobiographisch anmutende Bücher geschrieben. 🙂 In diesem Büchlein geht es um ihre Zeit in China, wo sie im Alter von 4 bis 7 gelebt hat. Also zeitlich fast direkt anschließend an die Röhren. Nothomb beschreibt das Kriegsspiel, das zwischen den Kindern im Diplomatenghetto lief, und lässt dabei keine Details aus: von der „Geheimwaffe“ (ein mit dem Urin gefüllter Bottich) über die „Kotzer“ (auserwählte Soldaten, die auf ihre Feinde erbrachen) zu den Foltermaßnahmen, die angewandt wurden, um die deutschen Kinder zu quälen. Aber es gibt noch eine Nebenstory: Amélies erste große Liebe, Elena. Die schöne Italienerin macht es ihr schwer, will sie nicht wahrnehmen, und dabei will Amélie doch nur eins: dass Elena sie auch liebt.
Die Freiheit ist nicht in Quadratmetern zu errechnen. Frei sein, das hieß, daß wir endlich uns selbst überlassen waren. Die Erwachsenen können den Kindern keinen größeren Gefallen tun als den, sie zu vergessen.
Ich muss sagen, ich war ein bisschen enttäuscht. „Die Röhren“ haben mir so gut gefallen, was unter anderem daran lag, dass Nothomb sehr egozentrisch war und auch so geschrieben hat. In „Liebessabotage“ ist sie immer noch sehr Ich-bezogen, aber die inneren Monologe sind doch etwas ausgedünnt an der Zahl. Ein weiterer Störfaktor: das Thema Krieg – selbst wenn es nur „Krieg spielen“ ist. Noch nie konnte ich mich für dieses Thema in der Literatur oder in Filmen begeistern, und ich finde es einfach unnötig, „Krieg zu spielen“. Zumal sich in diesem Buch das Kriegsspiel nicht nur auf einen Teil des Buches begrenzt hat, sondern sich durch die gesamte Länge (zwar nur 170 Seiten, aber trotzdem!) gezogen hat. Da fand ich die kleine Liebesgeschichte doch um einiges interessanter. Amélie muss sich ihrer selbst klar werden und wie sie auf andere wirkt, um die schöne Elena von sich zu überzeugen.
Von der Pubertät an ist das Leben nur noch ein Epilog.
Der Schreibstil war allerdings wieder großartig, und auch selbst wenn ich den Themen teilweise nichts abgewinnen konnte, hat es doch Spaß gemacht, Nothombs Kindertagen weiter zu verfolgen. Es gab wieder zahlreiche Stellen, die ich sofort unterstreichen musste, weil sie so intelligent waren, aber auf so banalen Gedankenspielen beruhten, das es schon genial war. Aber der Wermutstropfen war durch das Thema natürlich da, und trotz aller Liebe zum Nothomb’schen Schreibstil war das Buch für mich eher ein Flop. Hoffentlich wird „Biographie des Hungers“, was auch noch hier auf mich wartet, besser.
Amélie Nothomb, "Liebessabotage", Diogenes Verlag, ISBN: 9783257060577. Zitate: S. 41, 28.