Von der Schönheit der Welt, unserem Platz darin und Gedanken darüber, was wir ohne unsere Erinnerungen wären.
Unser Leben, unsere Welt werden durch unsere Erinnerungen zusammengehalten. Was geschieht mit uns, wenn wir sie verlieren, und welche Möglichkeiten tun sich auf, wenn andere unsere Erinnerungen wiederbeleben können? Der 74-jährigen Alma Konachek, die in einem Vorort von Kapstadt lebt, widerfährt genau dies. Sie verliert ihr Gedächtnis… Wie alle Werke Doerrs zeugt auch dieses von der Größe des Lebens – von der geheimnisvollen Schönheit der Fossilien, Wolken, Blätter – von dem atemberaubenden Glück, in diesem Universum zu leben. Die Vorstellungskraft und Sprachmacht, das Einfühlungsvermögen und die Erzählkunst Anthony Doerrs sind unvergleichlich. (zur Verlagsseite)
„Memory Wall“ ist mein erstes Buch von Anthony Doerr – nach diesem Werk bin ich aber mehr als euphorisch, noch andere seiner Bücher zu lesen! Doerr erzählt in dieser 130 Seiten kurzen Novelle von einer alten Dame, die mit einem Gedächtnisstimulator in der Lage ist, mittels Kassetten längst verlorene Gedanken abzuspielen. Dies geschieht mit einem speziellen Helm, dessen Enden in ihre in den Schädel eingelassenen Öffnungen eingeführt wird. Den Patienten soll durch die mehrfache Stimulation mit den Erinnerungs-Kassetten ermöglicht werden, sich ans Erinnern zu erinnern. Parallel dazu versuchen Kriminelle, Erinnerungen reicher oder berühmter Personen zu „ernten“. Der junge Luvo wird von der Straße aufgesammelt, bekommt die Zugänge für den Stimulator gelegt und soll nun in den Erinnerungen Almas nach dem einen Fetzen stöbern, der seinen Auftraggeber reich machen soll. Denn Almas Mann war ein begeisterter Hobby-Archäologe, der bei dem Fund seines Lebens während einem Ausflug mit ihr einen Herzanfall erlitt. Das Fossil soll riesig und viele Millionen Rand wert sein, Geld, mit dem Roger seine Schulden abbezahlen kann…
Almas Hausdiener Pheko lebt im Gegensatz zu ihr ein bescheidenes Leben in einer beschaulichen Hütte in ärmlichen Verhältnissen. Er pflegt Alma, fährt sie zum Arzt, legt ihr ihre Lieblingskassetten und hilft ihr, im Alltag zurecht zu kommen. Während ihr Zustand zusehends schlechter wird, muss er sich mit der plötzlichen Krankheit seines Sohnes zurechtfinden und auch noch seine drohende Arbeitslosigkeit im Auge behalten, denn Alma soll bald in ein Heim verlegt werden. Doch ob sie ihre „Memory Wall“, ihre Wand aus mehr oder weniger geordneten Erinnerungs-Kassetten, Ausschnitten und Fotos, dorthin mitnehmen darf, ist fraglich. Und auch Luvo muss sich beeilen, diese eine Erinnerung zu finden, denn schon bald kommt der Makler und das Haus wird verkauft.
»Nichts bleibt«, sagte Harold. »Dass etwas versteinert, ist ein Wunder. Die Chancen stehen eins zu fünfzig Millionen. Der Rest von uns? Wir verschwinden im Gras, in Käfern, in Würmern. In Lichtstreifen.«
Anthony Doerr erzählt in einer faszinierenden Art und Weise von der flüchtigen Welt der Erinnerungen, und wie diese uns als Mensch ausmachen. Was sind wir ohne Erinnerungen, was bleibt von einem Menschen übrig, wenn wir diese verlieren? Dieser Gedanke flößt einem Angst ein, denn Alzheimer und Demenz sind ein nicht so seltenes Leiden in unserer Welt. Und was geschieht mit unserem Bewusstsein und den ganzen Erinnerungen nach unserem Tod? Doerr greift hier spannende Themen und Fragen auf und knüpft sie herrlich zu einer Geschichte zusammen.
Fazit: Wie gern hätte ich mehr von dieser Geschichte gelesen! 130 Seiten erscheinen für ein solches Thema viel zu kurz, und dennoch hat Anthony Doerr diese wenigen Seiten wunderbar genutzt, um uns diese Geschichte zu schenken. Nicht nur das Schicksal Almas erzählt der Autor mit Bravour, sondern auch die Schönheit der Natur, der Fossilien und die Frage nach unserem Platz in der Geschichte spinnt er grandios zu einer ergreifenden Geschichten zusammen. „Memory Wall“ wirkt trotz seiner Kürze noch lange nach. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!
Anthony Doerr, Memory Wall. btb Verlag Taschenbuch, 132 Seiten ISBN: 9783442715541 Erschienen: 12.02.18
Hallo Tina,
eine wunderschöne Rezension! Das Thema hört sich wirklich interessant an & ich denke, ich werde mir das Buch gleich mal auf die WuLi setzen!
Liebe Grüße,
Pia !