Ein spannender Sci-Fi-Ansatz, der sich jedoch in Partys, Alkohol und Sinnlosigkeiten verliert.
Die nahe Zukunft: Webdesigner Darian ist ein Globetrotter, der schon so gut wie jedes Land der Erde besucht hat. Als er eines Tages ein beträchtliches Sümmchen erbt, erfüllt er sich einen lang gehegten Traum: Da die Erde aufgrund des Klimawandels und wachsender Terrorgefahr nicht länger ein angenehmer Ort zum Leben ist, fliegt er kurzerhand zum Mond, um dort drei Wochen entspannt Urlaub zu machen. Es ist der Beginn des größten und verrücktesten Abenteuers seines Lebens, denn auf dem Mond geht die Party erst richtig los… (zur Verlagsseite)
Wie enttäuschend! Ich hatte mich richtig auf Arne Ahlerts „Moonatics“ gefreut und täglich am Briefkasten Wache gehalten, doch leider entpuppte sich der 600 Seiten starke Sci-Fi Schmöker leider als Flop. Im Juni konnte mich bereits „Dark Matter“ von Blake Crouch nicht so richtig begeistern, aber „Moonatics“ hat dies traurigerweise noch überboten. Dabei fing unsere Liebesgeschichte so vielversprechend an… bevor sie mitten auf dem Mond gecrasht ist. Wie es dazu kam, erfahrt ihr weiter unten, zuerst möchte ich noch etwas mehr auf den Inhalt eingehen:
Im Jahre 2044 liegt die Erde in ihren letzten Atemzügen: die Überbevölkerung ist mittlerweile außer Kontrolle geraten, das Klima hat sich unwiderruflich verändert, viele Länder gibt es bereits nicht mehr und die verbleibenden werden von Taifunen und Erdbeben heimgesucht. Ein Atomunfall nach dem anderen löscht erhebliche Teile der Weltbevölkerung aus und mit ihr auch die Natur. Der Planet kocht. Da passt es doch ganz gut, dass Webdesigner Darian von seinem Vater ein nicht geringes Häufchen Geld geerbt hat, das es ihm nicht nur möglich gemacht hat, alle noch vorhandenen Fleckchen der Erde zu bereisen, sondern nun die ultimative Reise anzutreten: Zum Mond! Das Hotel Levania und seine Mitarbeiter empfangen Darian wie einen alten Freund und bald entdeckt er, dass auch bereits Menschen auf dem Mond wohnen. Diese lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: die Schnösel in schicken Villen in „Beverly Hills“ und die „Moonatics“, ein kleines Rudel Hippies. Darian lernt die Anwohner kennen und gemeinsam schmeißen sie eine Party nach der anderen. Dass dabei Unfälle geschehen, ist dabei keine Seltenheit: so vertritt beispielsweise jemand aus Darians Bekanntenkreis im Vollsuff ohne Raumanzug, aber in Unterhose, ungeschützt mal die Beine. Dass das kein gutes Ende nimmt, ist klar. Doch das Partyvölkchen nimmt an diesem Ereignis nicht sehr viel Anteil und weiter geht’s. Zwischen allerhand Partys, Vernissagen oder Jachtausflügen (okay, technisch gesehen zählt das auch zu Partys) führen Moonatics sowie die Schnösel-Fraktion philosophische Gespräche, die durchaus anregend sind, teilweise aber auch einfach nur unlesbar. Spannende Gedankenkonstrukte werden aufgebaut, nur um diese später zu verwerfen, und wieder andere tauchen erst gegen Ende des Buches auf und erhalten keine große Beachtung. „Moonatics“ versucht dem Leser die Geschichte einer sterbenden Erde zu vermitteln, an der die Mondbewohner allerdings wenig Anstoß nehmen und ihren Aufenthalt dort gefühlt nur als Party-Urlaub sehen.
„Ihr solltet euch keine Gedanken machen über Dinge, die man nicht ändern kann. Was hat die Erde mit euch zu tun? […] Nichts. Denn ihr seid hier, im Jetzt, alles andere sind nur negative Gedanken. Ihr müsst entscheiden, ob ihr zulasst, dass sie euch beeinflussen. Denkt nur an euch, denkt an die Zukunft.“
Arne Ahlert möchte hier so vieles erzählen, er quetscht Anspielungen auf bekannte Sci-Fi Storys zwischen die recht philosophischen Gespräche der Mondbewohner. Nach ungefähr 150 Seiten flaut die Erzählung aber dermaßen ab, dass es scheint, als hätte Ahlert seine Ideen schon verbraucht. Der Leser fragt sich, wohin das alles noch führen kann. Antwort: zu noch mehr Partys! Seit Darian auf dem Mond ist, besteht sein Aufenthalt wie es scheint nur aus Partys. Die Konversationen, die er mit den Anwohnern führt, sind oft geistreich und regen zum Grübeln an, allerdings verpufft das Gefühl, man lese hier etwas hochqualitatives, sofort wieder, wenn es um die nächste Runde Gin Tonic geht (Auf dem Mond gibt es übrigens nur Gin Tonic). Die Gespräche handeln von verschiedenen Ansichten, wie es zu dem „Problem“ auf der Erde kommen konnte. Manche behaupten, dass die Erde „Fieber“ hat, und versucht, den Virus Mensch abzuschütteln, damit sie sich wieder erholen kann; die Moonatics sind der Überzeugung, dass Gaia (= unsere Mutter, die Erde) ihre Kinder aus dem Nest wirft, damit diese den Samen des Lebens ins All bringen; wieder andere sehen den drohenden Weltuntergang als Chance, dass die Menschheit sich weiterentwickeln kann – und endlich die fleischliche Hülle abwirft und komplett durch Prothesen ersetzt, die dann auch der Mondoberfläche gewachsen sind. Diese verschiedensten Ansichten könnten eigentlich mit ihren Erzählungen und Ideen das ganze Buch füllen, doch leider nehmen die Gespräche die Erde und die Menschheit betreffend nicht viel Platz ein. Ich hatte das Gefühl, dass Ahlert selbst nicht so genau wusste, wohin er mit seiner eigentlich gut angedachten Geschichte eigentlich will; auf den letzten 200 Seiten wird alles immer wirrer und sehr spannende Neuigkeiten werden einfach in ein paar Seiten abgefrühstückt.
„Wieso haben wir es eigentlich nie auf die Reihe bekommen, den Laden in Ordnung zu bringen?“ […] „Wir haben hunderttausend Jahre plärrend auf der Rückbank gesessen, Mutter Gaia und Vater Weltgeist vorne am Steuer. Und nun sind die beiden bei voller Fahrt ausgestiegen, und wir zanken uns immer noch da hinten. Aber da vorne ist eine scharfe Kurve, und dahinter lauert der Abgrund.“
Spoiler! Scrollt einfach bis unter das Bild, um zum nächsten spoilerfreien Teil zu gelangen. „Moonatics“ hat viel zu viele unresolved issues. Nehmen wir mal den Roboter Buzz. Anfangs noch ein friedlicher Zeitgenosse, mutiert er gegen Ende doch zum philosophierenden, alleswissenden und vor allem mit einem Bewusstsein ausgestatteten Persönchen! Doch anstatt dass die Mondbewohner diese Entwicklung begreifen und auch die Gefahr in Buzz sehen, stehen sie Schlange, um ihn zu sehen und führen pseudo-witzige Gespräche mit ihm. Man denkt sich bei dem Gedicht, dass er ungefähr in der Mitte des Buches aufsagt, „Oh, I see where this is going!“, wird aber gnadenlos enttäuscht. Genauso ging es mir bezüglich der „Enthüllung“ von Darians Vater, der natürlich der Kopf des Konzerns ist, warum er allerdings dafür gesorgt hat, dass Darian früher oder später auf dem Mond landet, erfahren wir nicht. Es gibt keine Vater-Sohn-Reunion. Ein weiterer Punkt, der mich verwirrt hat, war die Geisterwelt, in die Darian und seine Freundin immer wieder gereist sind. Was war der tiefere Sinn in diesen Reisen? Und das Ende. Der Sonnensturm. Der Schlüssel. Darian, der einfach nicht zurück fährt, um diese Menschen zu retten. Ugh.
Gegen den Erzählstil habe ich allerdings nicht einzuwenden, die Sprache war flüssig und ich fand es sehr sympathisch, dass Leute anderer Nationen nicht übersetzt wurden, sondern dann einfach mal ein französischer Satz mitten im Text steht. Die Anspielungen auf Sci-Fi-„Legenden“ fand ich ganz angenehm, die haben ein wenig Witz in die ganze Sache gebracht, im Gegensatz zu „Ready Player One“ oder „Armada“, wo die Anspielungen einfach das ganze Buch besetzen und auch ziemlich nervig sind.
Fazit: Generell hat „Moonatics“ ein spannendes und aktuelles Thema angeführt: die Zerstörung der Erde. Viele tolle Ideen und Gedankengänge wurden in den zahlreichen philosophischen Gesprächen angerissen, aber nicht zu Ende gedacht. Die nachdenklichen Dialoge hätten ruhig ausführlicher sein dürfen. Die Auswanderung der Menschen auf den Mond ist eine tolle Idee, hier wurde sie allerdings durch die ständige Feierei ins Unermessliche verdünnt und ertränkt. Story gibt es im Grunde genommen keine, für einen Science-Fiction Roman habe ich wirklich mehr erwartet. Das Buch war allerdings ganz angenehm zu lesen und die Dialoge haben zum Grübeln angeregt, aber wegen Fehlens der Handlung und eines ausgearbeiteten Konzepts gibt es von mir nur 2 Sterne.
Titel: Moonatics Autor: Arne Ahlert Heyne Verlag Taschenbuch, 573 Seiten ISBN: 9783453318144 Erschienen: 14.11.2016
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Heyne Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Hallo Tina.
Ich muss mich hier deiner Kritik anschließen. Auch mir konnte dieser Roman leider nicht zusagen. Vor allem, weil mir der rote Faden fehlte und ich mich dadurch zwingen musste, den Roman zu Ende zu lesen. Vielleicht hätte ich ihn auch abgebrochen, wäre es kein RezEx gewesen.
LG