Unaufgeregt, sanft und leise wird hier nach einem Schicksalsschlag ein Abschluss gesucht.
Titel: Moshi Mohi
Autor: Banana Yoshimoto
Verlag: Diogenes
Klappentext: Die zwanzigjährige Yotchan steht vor dem Nichts, als ihr Vater, Leader einer Rockband, plötzlich zusammen mit einer wildfremden Frau Selbstmord begeht. Mit ihrer Mutter findet sie Zuflucht in einer ungewöhnlichen WG in Tokios Künstler- und Szeneviertel Shimokitazawa. Dort findet jede auf ihre Art zu neuer Lebensfreude zurück, getragen von dem authentischen Stadtviertel und seinen Bewohnern. Kochkunst, Essenslust und eine bewegte Reifungs- und Liebesgeschichte – eine asiatisch weise Verführung zum Leben. (zur Verlagsseite)
Selbst wenn ich noch jung, bemitleidenswert und mittellos dastand, begriff ich unter dem kalten Sternenhimmel doch, wie wertvoll ich war, da mich in einer Welt, in der man nur einen Bruchteil des Eigenen mit den anderen teilen konnte, eine intensive Erfahrung mit den unterschiedlichsten Menschen und den unterschiedlichsten Dingen verband.
„Moshi Moshi“ ist mein erster (und definitiv nicht letzter!) Roman von der beliebten Autorin Banana Yoshimoto, deren Werke mir auf Social Media Kanälen immer wieder ins Blickfeld gerutscht sind. „Gefühlvoll“, „sanft“, „unaufgeregt“ waren die Verben, die im Zusammenhang mit ihren Büchern immer wieder genannt wurden. Das hat meine Neugier geweckt und so zog dieses Büchlein bei mir ein. „Moshi Moshi“ erzählt die Geschichte der jungen Yotchan und ihrer Mutter, die nach dem Tod ihres Vaters bzw. Mannes versuchen, mit der Welt klar zu kommen, sich langsam wieder ins Leben herantasten und vor allem auf der Suche nach „closure“ sind, einem Abschluss, der sie den schweren Schicksalsschlag überwinden lässt. Doch nicht nur um Tod und Trauer geht es hier, sondern auch kulinarische Abenteuer spielen eine Rolle, genauso wie das Erwachsenwerden Yotchans. Um die Liebe, um das Leben selbst, um den Sinn und die Bedeutung der Handlungen jedes einzelnen Menschens.
Trotzdem ging der Alltag irgendwie weiter. Ich fand es seltsam, wie äußerlich normal ich beim Spaziergehen wirken musste, ich unterschied mich in nichts von den anderen Menschen, die mir unterwegs begegneten. Obwohl es in meinem Inneren brodelte, sah mein Spiegelbild in den Schaufensterscheiben aus wie immer.
Banana Yoshimoto schafft mit „Moshi Moshi“ einen wunderschönen und unaufgeregten Roman über das Leben nach einem Schicksalsschlag. In einer leisen, fast schon poetischen Sprache erzählt sie, wie die 20-jährigem Yotchan trotz ihres Kummers beginnt, sich ein neues Leben aufzubauen – weg von daheim in einer kleinen Wohnung beginnt sie, in einem Restaurant zu arbeiten. Eines Tages steht jedoch ihre Mutter vor der Tür und beschließt, eine Zeit lang bei ihr zu wohnen, da sie es in dem alten Haus voller Erinnerungen nicht mehr aushält. Die beiden raufen sich trotz der Enge zusammen, unterstützen sich gegenseitig beim Trauern und gewinnen durch kulinarische Köstlichkeiten langsam die Lust am Leben wieder.
Wie Efeu waren Lust und Hässlichkeit, Erbärmlichkeit und Liebe, Schönheit, Lachen und Überfluss miteinander verflochten. Auch wenn man es mit einem Beil zerschlüge oder verbrennen würde: Man konnte den Menschen die Landschaft in ihrem Innern und ihre gelebte, im Herzen aufbewahrte Zeit nicht nehmen. Niemand konnte das antasten. Auch mein Vater war durch mich ein Teil des Ganzen.
Fazit: „Moshi Moshi“ ist ein Buch, das einen auch nach dem Lesen nicht los lässt. Immer wieder musste ich an die tolle Erzählsprache denken und daran, dass diese trotz ihrer Ruhe trotzdem nicht langweilig wird, sondern gemächlich dahinfließt. Zugegebenerweise passiert nicht viel an Handlung, aber das ist völlig okay, da hier ja auch ein innerer Prozess dargestellt wird. Yotchan reift im Verlauf des Buches auch zunehmend, was gegen Ende teilweise etwas überzeichnet wirkte – vielleicht liegt es an der Übersetzung? Die Dialoge wirkten plötzlich schlecht geschrieben und ihre wiederholte Aussage „Entschuldige meine kindische Ausdrucksweise, aber…“ nervt nach einigen Passagen dann doch etwas. Dennoch gab es viele Stellen, an denen ich innehalten und die Sprache bewundern musste. So viele schöne Stellen gibt es in diesem Buch, die einen selbst ins Grübeln bringen, über das Leben, die Verbindungen zu anderen Menschen und der komplizierten Gefühlswelt. „Moshi Moshi“ ist ein Roman, der nicht viel Story mitbringt, aber mit liebevoll gezeichneten Charakteren aufwartet und die Schwierigkeiten, die nach dem Tod einer geliebten Person auf einen lauern, authentisch und gefühlvoll darstellt.
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Diogenes Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Banana Yoshimoto, "Moshi Moshi", Diogenes Verlag. ISBN: 9783257069310, Zitate: S. 289, 11, 292.