Leise, anmutig und von der typisch japanischen Erzählsprache geführt begeben wir uns auf die Reise zu den Dingen, die wirklich zählen.
Irgendwo im Pazifischen Ozean befindet sich die japanische Insel Aburi – ein aus der Zeit gefallenes Fleckchen Erde. Der junge Ryosuke nimmt hier einen Job als Bauarbeiter an. Nicht ganz ohne Grund: Ein Freund seines toten Vaters lebt hier. Von ihm erhofft er sich eine Antwort auf die Frage, woran seine Familie zerbrach. Die Einwohner der Insel begegnen dem Neuankömmling skeptisch, und die Arbeit erweist sich als hart. Doch Ryosuke schließt Freundschaft mit zwei weiteren Fremden – dem draufgängerischen Tachikawa und der burschikosen Kaoru. Alle drei hadern mit der Vergangenheit, dem Leben und sich selbst. Für sie scheint es keinen Platz auf der Welt zu geben. Gemeinsam begeben sie sich auf die Spuren von Ryosukes Vater – eine Suche, während derer sie lernen, sich auf die Natur und sich selbst zu besinnen. (zur Verlagsseite)
Unerwartet erreichte mich Buchpost aus dem DuMont Buchverlag, enthalten war dieses kleine und wunderbare Buch aus Japan. Von der „Insel der Freundschaft“ hatte ich bisher noch nichts gehört, doch der Klappentext klang vielversprechend und so stürzte ich mich in das Abenteuer. Die Geschichte erzählt von Ryosuke, der ehemals als Koch gearbeitet hat, aufgrund von persönlichen Problemen, dem Tod beider Eltern und der darauf folgenden Depression, beschließt er jedoch, auf einer Insel als Bauarbeiter anzuheuern. Doch die Insel mitten im Nirgendwo soll nicht nur eine Ausflucht aus seinem Leben sein, sondern für ihn einige Geheimnisse aufdecken – zumal hier ein sehr guter Freund seiner verstorbenen Eltern leben soll. Auf der Insel angekommen, schließt er rasch Freundschaft mit zwei weiteren Arbeitern, die auch vom Land auf die Insel gekommen sind, um Wasserleitungen zu reparieren: Tachikawa und Kaoru. Die Zwei beginnen, von ihren Problemen und Schwierigkeiten an Land zu erzählen, nur Ryosuke behält seine Sorgen für sich. Nach der Arbeit und an freien Tagen beginnt er, die kleine Insel zu erkunden. Er erklimmt den Berg und erforscht die heimische Flora und Fauna und stößt dabei auf eine Herde wider Ziegen, auf der Insel Pinza genannt. Schließlich findet er den Mann, den er sucht, und es scheint ihm fast, als könnten er und seine zwei Freunde einen Neuanfang wagen, indem sie auf der Insel bleiben. Doch die Inselbewohner mit ihren Riten und Bräuchen finden die Neuankömmlinge verdächtig und heißen sie nicht gerade willkommen, als die Drei verkünden, auf der Insel bleiben zu wollen…
„Auf dieser Insel haben Sie eine Niederlage erlitten, aber Ihr Traum wird dadurch nicht aus Ihrem Leben verschwinden.“
Durian Sukegawa erzählt mit „Die Insel der Freundschaft“ eine wunderbare Geschichte von Freundschaft, Mut und dem Wunsch, sich zu beweisen. Ryosuke macht sich durch die Suche nach Hashi, dem alten Mann, auch auf die Suche nach Spuren seiner Vergangenheit, nach Geschichten, und versucht, seine Eltern so wieder ein Stück weit lebendig zu zaubern. Mithilfe seiner Kompagnons und Hashi will er versuchen, den alten Traum seines Vaters, nach dessen Scheitern dieser sich das Leben genommen hat, wieder auflodern zu lassen: eine Käserei auf der Insel aufzubauen und Käse nur aus Ziegenmilch der örtlichen Pinza herzustellen. Doch die Bräuche der Insel und die sturen Bewohner stellen sich den Vieren immer wieder in den Weg und machen den Weg für alle unnötig schwer. Letzten Endes steht Ryosuke alleine mit den Ziegen da und muss sich seinen Weg zum Erfolg bahnen, immer den Traum seines Vaters im Kopf.
Mit Ryosuke erschafft Sukegawa einen runden, ausgefleischten Charakter, der einen ganzen Berg Probleme mit sich bringt. Seit dem Tod seiner Eltern verspürt er einen Hass gegen sich selbst und nach einem gescheiterten Selbstmordversuch ist das Verlangen, sich in den Abgrund zu stürzen, stärker als jemals zuvor. Durch die Käseherstellung erhofft sich Ryosuke nicht nur die Erfüllung seines Vaters Traum, sondern auch einen Sinn. Der Autor schafft es aber nicht nur, Ryosuke lebendig erscheinen zu lassen; die Hauptcharaktere sind alle sehr liebevoll gestaltet, die Nebencharaktere jedoch leider weniger: sei es der nichtssagende Bürgermeister oder auch der typische aggressive und cholerische Klischee-Charakter, der mit seinen Launen und Wutausbrüchen dem gesamten Buch schadet. Und auch die generell sehr fluffige und sehr gut lesbare Geschichte hat an einigen Stellen Einschübe, bei denen ich mich frage, ob das wirklich nötig ist:
Ob die Person, nach der er suchte, immer noch auf Aburi-jima lebte? Ob er es schaffen würde, ihr das zu überreichen, was er ganz unten in seinem Rucksack verstaut hatte? Und würde es ihm gelingen, die Welt mit anderen Augen zu sehen, wenn er das Geheimnis seiner Kindheit gelüftet hätte?
Ansonsten konnte mich dieses Buch sehr überzeugen. Stellenweise wurde es dann blutig und bei einer Szene liefen dann doch ein paar Tränen, jedoch ist diese Szene elementar und meiner Meinung nach der erste Schritt für Ryosuke zum Käsehersteller. Auch wenn die Traditionen der Insel mir oft zuwider waren und ich mich stellenweise (und vor allem bei oben erwähnter Szene!) gefragt habe, warum Ryosuke sich an diese hält bzw. sich nicht zwischen Tradition und Dorfbewohner stellt, habe ich doch aus der Lektüre japanischer Bücher Eines mitgenommen: Der Japaner ist sehr folgsam und auch wenn er gewisse Bräuche oder Traditionen anzweifelt, kommt er ihnen doch trotzdem nach. Das kommt selbst auf der Insel zur Geltung, wie ich finde. Keiner zweifelt die Traditionen an und jeder folgt diesen brav, auch wenn es ihm oder ihr vielleicht doch nicht ganz geheuer ist. Frei nach dem Motto „Unsere Traditionen sind unantastbar“.
Fazit: Alles in Allem ist Durian Sukegawas „Die Insel der Freundschaft“ ein schönes Buch. Gespickt mit liebevoll gestalteten Charakteren und einer sich langsam aufbauenden Geschichte, die auch ohne enorme Handlung überzeugen kann. Die Wichtigkeit unserer Wünsche und Träume ist neben der Naturverbundenheit ein Kernaspekt dieses Buches. Alles greift ineinander und passt wunderbar zusammen. Selbst das Ende trägt dazu bei, dass „Die Insel der Freundschaft“ ein durchweg rundes Buch ist. Die kleinen Mankos allerdings, die mich an der Erzählweise des Autors zweifeln lassen (wie z.B. oben zitierter Abschnitt, der in einem der ersten Kapitel auftaucht), sorgten jedoch für ein paar gerunzelte Augenbrauen. Deshalb einen Stern weniger. Nichtsdestotrotz kann ich dieses Buch durchweg jedem ans Herz legen, der die leise Erzählweise der fernöstlichen Autoren genauso mag wie ich oder der einfach nur eine schöne Geschichte sucht, die ihn mit einem Lächeln zurücklässt.
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom DuMont Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Durian Sukegawa, Die Insel der Freundschaft. DuMont Verlag Gebundenes Buch, 350 Seiten ISBN: 9783832198619 Erschienen: 19.09.2017
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