Eine Neuinterpretation, die trotz der Sprachgewandtheit des Autors leider nicht überzeugen konnte.
Sein ganzes Leben lang hat Henry Dunbar auf nichts und niemanden Rücksicht genommen, besessen von der Vision, seinen kleinen Zeitungsverlag zu einem Medienkonzern auszubauen. Auf dem Zenit seiner Macht hat nur noch einen einzigen, aber mächtigen Feind: das Alter. Dunbar weiß, er muss sein Reich in die Hände seiner Töchter legen. Nur zwei der Kinder hält er für geeignet. Doch das Leben erteilt ihm eine bittere Lektion. (zur Verlagsseite)
Mit „Dunbar und seine Töchter“ ist im KNAUS Verlag ein weiteres Buch des Hogarth Shakespeare Projekts erschienen. Edward St. Aubyn nimmt sich hier der Neuerzählung von Shakespeares „König Lear“ an. Wie bei den letzten Bänden auch habe ich das Original nie gelesen, deshalb habe ich Anspielungen und Parallelen vermutlich nicht erkannt, sondern kann ausschließlich das Buch für sich beurteilen. Die Geschichte handelt von Henry Dunbar, der von zweien seiner Töchter in ein „Erholungszentrum“ für psychisch Kranke gesteckt wurde. Dunbar hat den beiden nämlich erst kürzlich seinen Teil des Dunbar-Konzerns überschrieben, nachdem seine dritte Tochter, die liebliche Florence, diesen vehement abgelehnt hat. Doch nun wollen die „gierigen Schlampen“, wie Dunbar seine Töchter Abigail und Megan bezeichnet, Dunbar komplett aus seinem eigenen Konzern hinausbefördern – indem sie ihn in vorhin erwähnte Einrichtung verlagert haben. Dunbar gelingt der Ausbruch, und auf vielen, vielen Seiten wird der harte Weg bis zur Sicherheit beschrieben – es ist immerhin Winter. Florence hat zwischenzeitlich von der prekären Lage erfahren, in der sich ihr ältlicher Vater befindet, und macht sich auf den Weg, ihn aus der Kälte zu retten. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt — nicht nur wegen des Wetters, sondern auch, weil die Versammlung, in der Dunbar aus seinem eigenen Konzern entfernt werden soll, unmittelbar bevorsteht.
»[…] man durfte gar nicht daran denken, man durfte nicht daran denken — seinen Leibarzt erniedrigten sie zu ihrem ganz und gar persönlichen Leibgynäkologen, ihrem Luden, ihrem Beschäler, ihrem Schlangendildo!«
Ich wollte dieses Buch unbedingt gut finden, doch irgendwie hat es nicht „geklickt“. Zwischen skurrilen Charakteren (Abigail und Megan), abgefahrenen Situationen (Sexspielchen mit Dr. Bob, Dunbars ehemaligem Hausarzt, bei der Brustwarzen abgebissen werden) und bissigen Dialogen wurde immer der eisige Weg Dunbars aus der Einrichtung eingeschoben, der sich fast über das gesamte Buch zog. Erst, als Dunbar völlig vereist von Florence aufgefunden wird und die beiden sich auf den Weg machen, den Beschluss der bösen Schwestern zunichte zu machen, kommt ein wenig Spannung auf, doch diese hat nur noch – grob geschätzt – 50 Seiten Platz, um sich zu entfalten und schafft dieses auch nicht gänzlich. Wer das Original von Shakespeare kennt, kann vermutlich den Plot vorhersehen, aber für alle Unbelesenen wie mich möchte ich nicht zu viel vom Inhalt spoilern. Fakt ist, dass 3/4 des Buchs sich mit Nebensächlichkeiten aufhalten, Nebencharaktere werden eingeführt, zu denen ich bis zum Ende des keine Verbindung herstellen konnte, und auch zu deren Handlungsstränge fand ich irgendwie keinen Zugang. Edward St. Aubyn schafft es zwar, mit luftig-lockerer und sehr humorvoller Sprache zu glänzen, allerdings hat es nicht mehr gereicht, um mich mit seiner Story zu fesseln.
Als nächstes geschah, dass er vergaß, was als Letztes geschehen war. Er ließ die Hände zur Seite sinken und war vollkommen absorbiert von der Beobachtung eines Regentropfens, der auf einer Blattspitze anschwoll, dabei die Farbe änderte und dann im Boden versickerte. Er sehnte sich nach solchem flüchtigen Schillern; er sehnte sich danach, in der Erde zu versickern […]
Fazit: „Dunbar und seine Töchter“ ist meiner Meinung nach eines der weniger empfehlenswerten Werke des Hogarth Shakespeare Projekts. Klar, die Sprache ist toll und der generelle Plot ist auch lesenswürdig, allerdings hat Edward St. Aubyn bei seinen Charakteren geknausert: Selbst die Hauptcharaktere erscheinen flach, der Leser erhält maximal Einblick in Dunbars Gedankenwelt (die nicht so aufregend ist wie erwartet) und der Zeitraum zwischen Ausbruch und Auffinden Dunbars dauert gefühlt zu lange, der Autor nimmt sich mehr Zeit für die Stränge der Nebenhandlung als für die Hauptstory. Andere der neu aufgelegten Werke aus dem Hogarth Projekt konnten mich mehr überzeugen. Schade.
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom KNAUS Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Edward St. Aubyn, Dunbar und seine Töchter. KNAUS Verlag Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 253 Seiten ISBN: 9783813506983 Erschienen: 20.11.2017
Guten Morgen!
Das klingt ja eher wie eine Lese-Entfehlung. Da kann man mal sehen, dass ein guter Autor nicht gleich ein gutes Buch bedeutet.
Ich hab vor 2 Jahren oder so „Der beste Roman des Jahres“ von St. Aubin gelesen, denn fand ich richtig gut. Wollte schon lange ein zweites Buch von ihm lesen, dieses wird es wohl nicht 😀
Vielen Dank für die Rezension! 🙂
VG Jennifer
„Entdeckung“ trifft es nicht ganz, aber dann irgendwie schon. Ich war echt ein wenig enttäuscht… Die anderen Romane vom Autor habe ich mir dann gar nicht mehr angeschaut, aber bei dem Titel muss ich wohl doch mal einen Blick drauf werfen! 😀
Liebe Grüße, Tina
Der ist ganz wichtig, eine Literaturbetriebssatire, schöne kurze Kapitel mit vielen skurrilen Figuren 😉 Ich hatte den bei mir mal ganz kurz vorgestellt, das verlinke ich dir mal ganz frech, falls es dich interessiert: https://leseninleipzigblog.wordpress.com/2017/05/19/2-buecher-in-buechern/
VG Jennifer
Oh, das klingt toll! Direkt mal geordert. 😀