Ein sehr kurzweiliger Abstecher in die Zukunft – unterhaltsam und charmant!
Im beschaulichen Leben von Arnold Kahl bricht urplötzlich eine neue Zeitrechnung an: Über Nacht wird der 53-jährige ins Jahr 2045 katapultiert. Ist das ein Alptraum? Oder eine physikalische Anomalie? Arnold weiß nur: Ab sofort ist er ein alter Sack, der die Welt nicht mehr versteht: Künstliche Intelligenz steuert sämtliche Lebensbereiche, humanoide Serviceroboter erledigen die Arbeit. Wer sich die reale Welt nicht mehr leisten kann, der zieht nach Times Beach, einem virtuellen Freizeitpark. Arnolds persönlicher Assistent heißt Gustav. Der charmante Uralt-Roboter hilft bei der Rekonstruktion von Arnolds Leben, das sich als ein Desaster entpuppt. Arnold hat es gründlich verbockt. Seine Ehe und Familie sind Geschichte, sein Leben ein Jammertal. Er wünschte, er könnte die letzten 25 Jahre zurückdrehen – aber wie?
Deutsche humoristische Autoren bzw. deren Werke sind normalerweise überhaupt nicht mein Ding und ich bemühe mich, davon Abstand zu halten (bisherige Ausnahme: Klings „QualityLand“). Doch bei dem Klappentext kam ich nicht an diesem Buch vorbei. Wer mich kennt, weiß, dass ich eine gute Sci-Fi- oder Zeitreise-Story nicht verschmähe.
Arnold pflegt ein beschauliches Leben, bis er eines Tages aufwacht und merkt, dass seit seinem letzten Einschlafen 25 Jahre vergangen sind! In der vermeintlichen Zukunft, mit der sich auf keinen Fall anfreuden möchte, fristet er sein Dasein in einem (zugegebenermaßen sehr komfortablen) Altersheim mit einem persönlichen Assistenten – dem synthetischen Gustav. Dieser steht Arnold bereits 15 Jahre lang zur Seite und weißt daher einiges über sein vergangenes Leben und kann demzufolge einige Gedächtnislücken füllen. Doch das Gesundheits-Überwachungssystem von 2045 hat Arnold bereits als Pflegefall eingestuft und sieht die Zwangseinweisung vor – in eine digitale Welt, in der Menschen ihr Bewusstsein hochladen können. Arnold denkt gar nicht daran und es beginnt ein spannender Trip, um zum einen fehlende Erinnerungen zu entdecken und zugleich der Zwangsdigitalisierung zu entkommen.
Die meisten hier können sich die Realität einfach nicht mehr leisten.
Hans Rath erzählt charmant und überaus kurzweilig eine Geschichte über die Zukunft – wie sich die Welt und die Technologie, aber vor allem die Menschen in den nächsten 25 Jahren weiterentwickeln könnten. Natürlich sind die einzelnen Ideen (Digitalisierung des Bewusstseins, Gesundheitsüberwachung durch intelligente Kleidung und Androiden-Sklacen) nichts Neues, aber hier wunderbar zusammengesetzt, sodass sich ein rundes Gesamtbild von einer Welt ergibt, die trotz ihrer Vorteile doch sehr dystopisch wirkt. Durch den Humor und den sympathischen Begleiter Gustav wirkt die Story aber nicht deprimierend, sondern ganz im Gegenteil hochspannend und hoffnungsvoll. Durch den flüssigen und sehr gut lesbaren Schreibstil des Autors fliegen die Seiten zudem nur so dahin, sodass ich dieses Buch binnen kürzester Zeit ausgelesen hatte! Ein wahres Lesevergnügen, das ich unbedingt weiterempfehlen würde!
Arnold als grummeliger „Schwarzseher“ (Wortlaut seiner Frau, für mich ist er mehr Realist als Pessimist) regt sich gerne und oft über der Klimawandel und die allgemeine Richtung, die die Welt einschlägt, auf. Zudem ist er auch ein wenig paranoid und hält nicht viel von Technik, die ihn potenziell überwachen könnte. Arnolds Entwicklung vom unleidlichen Grummelmuff, der den ganzen Tag nur stänkert, zu einer besseren Version von sich selbst, hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ich hier die Klischeekeule schwingen muss: Geschichten über solche Unsympathen gibt es wirklich wie Sand am Meer. Ob Jack Nicholson in „Besser geht’s nicht“, „Ein Mann namens Ove“ oder deren Vorbild Ebenezer Scrooge – wohl jeder von uns hat schon eine oder mehrere dieser Geschichten gehört. Dennoch muss ich Hans Rath zugute halten, dass er es nicht auf die Spitze treibt und Arnold keine Karikatur ist, sondern ein Protagonist, mit dem wir auch ein wenig mitfühlen können.
Als ich mir übers Handgelenk streiche, kommt mir die Haut zu weiß vor nach den sonnenverbrannten Jahren und zu trocken, pudrig wie Staub in regenarmer Luft, schuppig vor Trockenheit wie ein alter, poröser, kalkweißer Knochen unter einer Sonne, die Fleisch und Bein und Erde in einem Mörser aus Feuer mit einem Stößel aus Licht zu Staub zermahlt.
Fazit: Ein kurzweiliges und sehr unterhaltsames Buch, das ich wirklich gern gelesen habe. Die Zukunft, in der Arnold landet, ist spannend und ich hätte gern noch mehr darüber erfahren. Einen Stern Abzug gibt es lediglich für das Ende, das natürlich von Anfang an vorausgeahnt werden kann, die Geschichte aber im Ganzen abrundet und befriedigend abschließt. Leider kennt man diese Wendung von sehr vielen anderen Werken, sodass dies hier ein wenig unkreativ wirkt.
Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Ullstein Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Hans Rath / Im nächsten Leben wird alles besser / Ullstein Verlag / Taschenbuch. 288 Seiten / Erschienen am 03.08.20 / ISBN: 9783864931192 / zur Verlagsseite