Hallo ihr Lieben,
heute habe ich gleich drei Bücher für euch, die mich letzten Monat begleiten durften. Und zwar hat sich nach einiger Zeit mal wieder ein wenig Jugendliteratur in meinen Lesestapel geschlichen! Aber auch die Dystopien kamen nicht zu kurz und so möchte ich heute auch ein paar Worte zu einem Buch verlieren, das mich leider so gar nicht überzeugen konnte. Aber zuerst zu den kurzweiligen Jugendbüchern! ♥
Carl Hiaasen, Schlangenjagd
Billy Dickens‘ Leben ist einfach verrückt: Mit Mutter und Schwester hat er schon an sechs verschiedenen Orten in Florida gelebt, weil seine Mutter darauf besteht, in der Nähe eines Adlerhorsts zu wohnen. Billy ist in der Schule als „Schlangenjunge“ verschrien, weil er einmal eine lebendige Klapperschlange in seinem Spind hatte. Vielleicht. Vielleicht war sie aber auch nur aus Gummi. Sein Vater hat die Familie verlassen und arbeitet für die Regierung. Vielleicht. Das weiß niemand so genau. Und jetzt hat Billy seine Adresse gefunden und macht sich auf, um ihn zu finden, der ihn und seine Familie zurückließ, als er noch klein war…
Dieses Buch lockte mich mit seiner kunterbunten Aufmachung und dem Neugier weckendem Klappentext. Doch was mich erwartete, war irgendwie etwas völlig anderes, denn Carl Hiaasens Roman dreht sich nicht nur um die Suche nach dem Vater, sondern auch um Umweltschutz! Billy selbst, seine Familie und auch die Charaktere, die wir unterwegs kennen lernen, setzen sich alle für den Artenschutz ein und auch der Job von Billys Vater hat möglicherweise einen grünen Hintergrund… Vielleicht. Wir verfolgen Billy also auf der Reise zu seinem Vater, der so plötzlich seine Familie verließ und niemals einen Grund hinterlassen hat. In wahnwitzigem Tempo, humorvoll und mit einer ganz besonderen Erzählstimme nimmt Carl Hiaasen uns mit quer durch die USA. Alle Charaktere in „Schlangenjagd“ haben mir dabei gut gefallen (außer natürlich die Bösewichte!), aber Billy ist und bleibt doch mein Liebling. Seine Sicht auf die Welt, sein Sinn für Gerechtigkeit und seine vorgetäuschte Abgeklärtheit, damit er nicht noch einmal von einem Menschen so verletzt wird wie von seinem Vater, kreieren ein rundes Gesamtbild und machen die ganze Story zu etwas Besonderem. Das Augenmerk auf den Umweltschutz hat dem Ganzen dabei noch die Kirsche aufgesetzt, besonders für junge Leser finde ich das Thema sehr wichtig. Toll, dass mittlerweile mehr und mehr Romane für die jüngeren Leser das aufgreifen.
Klar, ein Melonenkampf zwischen zwei Krawall-Omas ist nur ein kleiner, doofer Vorfall, aber so etwas spricht nicht gerade für die menschliche Rasse. […] Schau dir dann den täglichen Strom an schlechten Nachrichten an, falls du es erträgst: Bombenanschläge, Massaker, geistesgestörte Diktatoren, korrupte Politiker, Hacker, Betrüger, Fanatiker, die Hass im Internet verbreiten… Manchmal ist es schwierig, noch Hoffnung für den Planeten zu schöpfen.
Fazit: Carl Hiaasens neuer Roman „Schlangenjagd“ liest sich äußerst kurzweilig, tangiert wichtige Thematiken und macht einfach Spaß! Eine klare Leseempfehlung von mir.
Carl Hiaasen / Schlangenjagd / Beltz & Gelberg / Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 311 Seiten / ISBN: 9783407754639 / Erschienen am 11.07.19 / zur Verlagsseite
David Lozano, Der Minutendieb
Als die Behörden beschließen, den 6. Oktober aus dem Kalender zu streichen, ist der zehnjährige Eduardo verzweifelt. Wie ungerecht ist das denn? Es kann doch nicht sein, dass er auf einmal keinen Geburtstag mehr hat und womöglich für immer zehn Jahre bleiben muss! Edu nimmt seinen ganzen Mut zusammen und geht in den Laden der Verbotenen Dinge. Der rätselhafte Herr Vinicius hat nicht nur einen schwarzen Schnurrbart, sondern in den tiefsten Tiefen seines Kellers auch einen Zeitsauger, mit dem man in der Lage ist, von Menschen heimlich Minuten zu stehlen, bis ein ganzer Tag zusammengekommen ist. Ein Jahr hat Edu Zeit, um sein Ziel zu erreichen, doch er muss äußerst vorsichtig sein: Zeitdiebstahl ist streng verboten, und zudem darf er nur glückliche Momente stehlen, alles andere hätte fatale Folgen…
Relativ spontan entschied ich mich dazu, dieses Buch zu lesen, denn der Klappentext klang nach einem kurzweiligen Spaß und das Cover sieht einfach nur hübsch aus. Als ich das Buch dann aufklappte, war ich zunächst von der etwas großen Schrift überrascht – im positiven Sinn! Ich mag die winzig kleine Schrift nicht, die gerne für Bücher jeglicher Art verwendet wird und habe mich sehr gefreut, dass ich hier mal meine Augen schonen kann. 🙂 Es geht um den jungen Edu, der sich seinen Geburtstag wieder zurück in den Kalender wünscht und dafür sogar beginnt, anderen Menschen mit einem Gerät Zeit abzusaugen. Doch Edu darf nicht zu viel auf einmal nehmen und sollte auch nur Momente positiver Stimmung stehlen. Dass die bestohlenen Menschen sich nach dem Zeitdiebstahl kurios benehmen und ob sie vielleicht diese glücklichen Momente vermissen, ist Edu dabei unwichtig. Egoistisch, wie vielleicht nur Kinder es sein können, zapft er nach und nach fast einen ganzen Tag zusammen, den er zwischen dem 5. und dem 7. Oktober setzen möchte, sodass der aus dem Kalender gestrichene 6. Oktober wieder da ist und sein Geburtstag wieder ihm gehört.
»Wenn uns etwas Spaß macht, dann scheint die Zeit schneller zu vergehen. […] Das liegt daran, das uns jemand die Minuten stiehlt, stimmt’s?«
Doch Edu hat die Rechnung ohne das echte Leben gemacht, denn es kommt nicht immer so, wie man es gerne hätte, und vielleicht gibt es da auch Menschen, die die Zeit dringender benötigen als er. An diesem Punkt der Geschichte muss der sture Egomane eine Entscheidung treffen und es wird sich zeigen, ob er im Laufe des Jahres ein bisschen erwachsener geworden ist oder bei seinem kindischen Trotz bleibt. Zugegeben, auf diesen Moment hatte ich mich bei der Lektüre am meisten gefreut (im ausführlichen Klappentext wird es bereits verraten), denn so spaßig die Lektüre des „Minutendiebs“ auch war, so weniger mochte ich unseren Protagonisten. Vielleicht bin ich auch einfach zu alt, um mich wirklich in ihn hineinversetzen zu können, sind Geburtstage doch mittlerweile eher ein Mahnmal ans Älterwerden und nicht so toll wie in der Kindheit vielleicht. Klar stört mich auch ein wenig die Logik in David Lozanos Buch, denn wieso denn gerade den 6. Oktober vom Kalender streichen und nicht den 31. eines Monats? Das wäre doch viel sinniger. Dennoch glaube ich, dass junge Leser mit diesem Buch sehr viel Spaß haben können, denn die Entwicklung Edus über den Verlauf des Buches ist sehr interessant zu verfolgen. Hat er anfangs noch Freude beim Zeitdiebstahl, wird er nach einer Weile immer trauriger, je mehr fröhliche Momente er anderen Menschen abzapft:
Manchmal denke ich, dass ich selbst es bin, der bei jedem Diebstahl in dem Glasbehälter eingefangen wird. Und von dort aus sehe ich zu, wie die Zeit vergeht, das Leben der anderen.
Fazit: Ein kurzweiliges Lesevergnügen für jüngere Leser. Wenn man ein alter Bücherveteran ist wie ich, stört man sich vielleicht zu sehr am Plothole und dem anfangs sehr unsympathischen Protagonisten, als dass man diese originelle Geschichte richtig genießen könnte. Ich hatte trotzdem einige schöne Lesestunden.
David Lozano / Der Minutendieb / Thiele Verlag / Gebundenes Buch, 237 Seiten / ISBN: 9783851794410 / Erschienen am 05.08.19 / zur Verlagsseite
Kaspar Colling Nielsen, Der europäische Frühling
Die Insel Lolland ist zum Hort der Glückseligen geworden. Hier regieren Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und Menschlichkeit. Intelligente Drohnen haben viele der alltäglichen Arbeiten übernommen. Doch die Idylle hat ihren Preis, und der Eintritt ist nicht jedem gewährt. In den Städten herrscht Anarchie. Probleme werden nicht gelöst, sondern auslagert. Dänemark pachtet in Mozambique eine riesige Landfläche und baut dort für Flüchtlinge und unliebsame Asylanten eine riesige Containerstadt. Am Ende ist die Zukunft auch nur ein Geschäft.
Seht ihr dieses wunderschöne Cover? Den ansprechenden Klappentext? Ich habe sehr gehofft, dass ich mal eines dieser pointierten Bücher mag, die alle als Satire feiern. Doch auch hier wurde ich leider enttäuscht. Zunächst habe ich nur sehr schwer in Kaspar Colling Nielsens Buch hineingefunden, da es mit mehreren verwirrenden Rückblicken von Stig und Elisabeth startet, die erst nach und nach miteinander verbunden werden, dann gab es immer wieder Einschübe von zwei mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Tieren, die einen philosophischen Dialog über das Leben und Sterben abhalten. Okay. Nachdem sich also die Hauptstory erschlossen hat, die von Stig und Elisabeth handelt, die auf der Insel Lolland aufgenommen wurden, auf der Frieden und Ordnung herrscht – eine kleine Utopie – findet man sich als Leser etwas besser zurecht. Parallel erfahren wir auch, wie es der Tochter der beiden auf dem College ergeht und lernen den Künstler Christian kennen, mit dem offenbar so einiges nicht stimmt. Wirklich abstoßende sexuelle Beschreibungen treffen hier auf hochgestochene, philosophische Abschnitte. Und das hat mich am „europäischen Frühling“ auch so gestört: Es gibt nur Schwarz und Weiß, krasser Schund oder schnörkellige Philosophie, nichts dazwischen. Da ich mit beidem wenig bis nichts anfangen kann, musste ich das Buch des Öfteren pausieren und habe auch schon mit dem Gedanken gespielt, es abzubrechen. Doch dann wäre mir die titelgebende Kunstshow entgangen, die gegen Ende des Buches noch ihren Auftritt bekommt – was aber im Endeffekt auch nicht schlimm gewesen wäre.
Fazit: Dieses Buch ist leider einer der großen Flops dieses Jahr; das Cover hat getäuscht und auch die Dystopie war für mich nicht wirklich greifbar. Hier vergebe ich leider keine Leseempfehlung.
Kaspar Colling Nielsen / Der europäische Frühling / Heyne Hardcore / Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 396 Seiten / ISBN: 9783453271708 / Erschienen am 13.05.19 / zur Verlagsseite
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