Ein hochaktuelles Thema, dennoch leider nicht so stark wie die „Bienen“.
Norwegen, 2017. Die fast 70-jährige Umweltaktivistin Signe begibt sich auf eine riskante Reise: Mit einem Segelboot versucht sie die französische Küste zu erreichen. An Bord eine Fracht, die das Schicksal des blauen Planeten verändern kann. Frankreich, 2041. Eine große Dürre zwingt die Menschen Südeuropas zur Flucht in den Norden, es ist längst nicht genug Trinkwasser für alle da. Doch bei dem jungen Vater David und seiner Tochter Lou keimt Hoffnung auf, als sie in einem vertrockneten Garten ein uraltes Segelboot entdecken. Signes Segelboot. (zur Verlagsseite)
Nachdem letztes Jahr Maja Lundes „Die Geschichte der Bienen“ in aller Munde war und auch ich mich nicht dem Hype entziehen konnte, war klar, dass ich natürlich auch die kommenden Bücher von ihr lesen muss. Geplant ist wohl ein Quartett, dessen Bücher sich allesamt mit Themen rund um den Klimawandel und die Umweltverschmutzung befassen sollen. Nun ist „Die Geschichte des Wassers“ erschienen, das sich, wie der Titel bereits vermuten lässt, mit dem großen Thema Wasser verschwendet. Währen Lunde bei den „Bienen“ die Geschichten dreier Personen versponnen hat, findet der Leser in ihrem neuen Werk nur zwei Protagonisten und Zeitebenen vor. Zum einen haben wir Signe Hauger, die Journalistin und Autorin, deren Vater Umweltaktivist ist und immer im krassen Gegensatz zu ihrer Mutter, die eine Karriere als Politikerin bestreitet, handelte. Mit ihren fast 70 Jahren macht sie sich mit ihrem Boot, der Blau, auf in ihre Heimat, um das dort für das neue Trend-Wasser abgebaute Gletschereis zu retten. Der Gletscher gehörte zu ihrer Kindheit, dass er nun abgebaut wird, obwohl der Gletscher sowieso bereits schmilzt, bricht ihr das Herz. Bereits in ihrer Kindheit wurden die Schwesternfälle ihrer Heimat in Rohre umgeleitet, um mit der gewonnenen Energie ein Kraftwerk zu befeuern. Was damals von Politikern wie ihrer Mutter entschlossen wurde, wird nun von ihrem Kindheitsfreund und erster Liebe Magnus betrieben, der sich nicht gegen den Abbau des Gletschers eingesetzt hat, als er konnte. Nun will Signe ihm das Eis, das bereits gesammelt wurde, bis vor die Haustür bringen, um ihm klarzumachen, dass er nicht nur den wertvollen Gletscher, sondern auch ihre gemeinsame Vergangenheit abbaut.
Parallel zu Signes Geschichte lesen wir von David, der mit seiner Tochter Lou auf der Flucht ist. Mit nur dem Allernötigsten im Gepäck fliehen sie vor dem Feuer, das ihr Zuhause heimgesucht hat, in eines der vielen Flüchtlingslager. Dort hoffen sie, Davids Frau Anna und den gemeinsamen Sohn August wiederzufinden; die Vier wurden bei der Flucht getrennt. Der Alltag im Lager ist dröge, das Essen karg und die Wasserrationen bemessen. Denn David lebt im Jahr 2041, Jahre nachdem der Gletscher abgebaut wurde und eine schwerwiegende Dürre die Erde heimgesucht hat. Waldbrände sind an der Tagesordnung und das Wasser ist mittlerweile rar gesät. Das, was da ist, muss streng rationiert werden. David und Lou vertreiben sich die Zeit, in der sie auf Anna und August warten, mit Spielen und Spaziergängen. Eines Tages finden sie bei einem Spaziergang ein Boot, mit dem sie ab sofort tägliche See-Abenteuer bestreiten — natürlich nur imaginäre, da es ja kein Wasser gibt. Doch David hat plötzlich eine Idee, mit dem er das Leben von sich und Lou besser machen kann und möglicherweise auch das vieler anderer Menschen.
»Du sagst, es sei unser Instinkt, für unsere Nachkommen zu sorgen […]. Aber eigentlich sorgen wir nur für uns selbst. Uns selbst und unsere Kinder. Höchstens noch für unsere Enkel. Diejenigen, die danach kommen, vergessen wir.«
Maja Lunde gelingt es mit ihren Romanen, wichtige Themen, die ein jeder Mensch eigentlich auch als wichtig erachten sollte, an die Masse zu bringen. Dadurch, dass sie um die Figuren spannende Schicksale spinnt und auch verschiedene zeitliche Ebenen einbaut, wird man als Leser schnell von der Geschichte eingenommen und fliegt nahezu durch die Seiten. Jedoch muss ich gestehen, dass ich Signes und Davids Schicksal als weniger spannend wie die „Bienen“ empfunden habe. Bei den Bienen konnte ich mit jedem Charakter mitfühlen, habe um den Verlust der Bienenstöcke getrauert und mich sehr über das optimistisch anmutende Finale gefreut. Doch diesmal erschienen mir die Protagonisten platt, nicht mit Liebe zum Detail erschaffen, und die Geschichte konnte mich auch nicht so richtig packen. Maja Lunde macht sehr viel mit ihrem Schreib- und Erzählstil wett, sodass man auch ohne ausgefleischte Charaktere und verfolgenswerte Story irgendwie an dem Buch hängen bleibt.
Ich bin zu alt, um zu weinen, zu alt für diese Tränen, und trotzdem habe ich feuchte Wangen.
Fazit: Auch mit diesem Buch spricht Maja Lunde ein immens wichtiges Thema an, leider fehlt mir bei der „Geschichte des Wassers“ die Liebe zum Detail, die Seele des Buchs, etwas Besonderes. Vielleicht bin ich nur von ihrem letzten Roman verwöhnt, der mir unwahrscheinlich gut gefallen hat, sodass ich diesen nicht mehr wertschätzen kann, aber irgendwas hat mir einfach gefehlt. Vielleicht waren mir zwei Protagonisten einfach nicht genug oder hätte ich eine zusätzliche Zeitebene gut gefunden, womöglich hat mir aber auch einfach die Erklärung gefehlt, wie Davids Welt so wurde, wie sie ist. Zu keinem Zeitpunkt erfahren wir mehr darüber, wie das Wasser verschwunden ist und warum der Regen ausbleibt. Das finde ich ziemlich schade, konnte man doch bei den „Bienen“ die Ursachen klar erkennen. Viel hängen geblieben ist von diesem Roman jedenfalls nicht viel, obwohl das Thema doch ein so wichtiges ist. Dennoch bin ich gespannt auf die folgenden Bände von Maja Lundes Quartett und werde mit Sicherheit auch diese lesen wollen.
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom btb Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Maja Lunde, Die Geschichte des Wassers. btb Verlag Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 478 Seiten ISBN: 9783442757749 Erschienen: 19.03.18