Ein herrlich charmantes, leichtfüßiges Buch, von einem der wichtigsten Autoren Japans.
»Leben zu verkaufen. Verfügen Sie frei über mich. Ich bin männlich, 27 Jahre alt und kann Geheimnisse wahren.« Als Hanio diese Anzeige schaltet, ahnt er nicht, was er damit lostritt. Bald findet er sich auf einem wilden Ritt durch eine Welt voller blutrünstiger Gangster, vergifteter Karotten, verzweifelter Junkies und verliebten Vampirfrauen wieder. Während sich um Hanio herum die Leichen sammeln, bleibt er wie durch ein Wunder am Leben und fragt sich, wie diese Höllenmaschine gestoppt werden kann. Nur: Ist es nicht schon viel zu spät für einen Sinneswandel?
Selten hatte ich so viel Spaß mit einem Buch! Nachdem mir Yukio Mishimas „Bekenntnisse einer Maske“ nicht allzu gut gefallen hatte, habe ich eine kleine Mishima-Pause eingelegt, bin jetzt aber mit „Leben zu verkaufen“ wieder eingestiegen. Zum Glück! Was für ein charmantes, witziges und wunderbares Buch! Und was für eine besondere Geschichte mit einem ungewöhnlichen Protagonisten. Hanio ist sein Leben leid, und nach einem gescheiterten Selbstmordversuch verkauft er kurzerhand sein Leben – mit der Aussicht (und Erwartung), dass er bei dem Auftrag sterben wird. Doch als das nicht geschieht, reiht sich ein skurriler Auftrag an den nächsten und der eigentlich eher kühl wirkende Playboy (anders kann man ihn nicht bezeichnen, fürchte ich) trifft auf die unterschiedlichsten Gestalten. Und entwickelt während seiner Aufträge dann doch so etwas wie Lust am Leben.
Yukio Mishima, der 1925 geboren wurde, zählt nach wie vor zu Japans wichtigsten Autoren. Umso toller finde ich es, dass der Kein & Aber Verlag sich die Neuübersetzungen seiner relevantesten Werke zur Brust genommen hat. Und im Gegensatz zu „Bekenntnisse einer Maske“ ist „Leben zu verkaufen“ viel, viel weniger sperrig, als man es von Klassikern annehmen würde. Bereits ab Seite eins war ich gefesselt und konnte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Im direkten Vergleich zu anderen zeitgenössischen japanischen Werken muss ich auch sagen, dass hier viel mehr passiert und weniger reflektiert wird – eine kleine Seltenheit, so meine Wahrnehmung. Das ist auch gar nicht abwertend gemeint, sondern eher im Gegenteil: Mishimas „neuer alter“ Roman wirkt frisch, lebhaft und kommt sehr humorvoll daher. Klar, Humor kennen wir auch aus anderen Werken, etwa „Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden“, aber hier ist es vielmehr ein fast quatschiger, Slapstick-artiger Humor, garniert mit der anfänglichen Todessehnsucht Hanios.
Einmal war Hanio bereits gestorben. Daher fühlte er keine Verantwortung mehr für diese Welt, er war nicht mehr an sie gebunden. Für ihn war die Welt nur noch eine mit Kakerlakenschrift bedeckte Zeitungsseite.
Fazit: Die einzelnen Aufträge Hanios lesen sich beinahe wie Kurzgeschichten, die immer mal wieder ineinandergreifen. Die Erzählsprache Mishimas ist kurzweilig und sorgt dafür, dass man sich nicht von dem Buch losreißen mag (zumindest nicht, bis das Kapitel zu Ende gelesen ist). Melancholische Gedanken zum Leben und Sterben wechseln sich ab mit einer mitreißenden Geschichte, in der es von wollüstigen Frauen und blutrünstigen Kerlen nur so wimmelt. Wer noch nichts vom Autor gelesen hat, dem sei dieses Buch unbedingt ans Herz gelegt – allen anderen aber auch! ♥
Weitere Meinungen: EigenerWeg
Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Kein & Aber Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Yukio Mishima / Leben zu verkaufen / Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 240 Seiten / ISBN: 978-3-0369-5824-8 / Erschienen: 06.10.20 / zur Verlagsseite
Liebe Tina
Ich fand es superspannend, Deinen Bericht zu lesen – normalerweise tausche ich mich immer total gerne nach der Lektüre mit anderen darüber aus. Hier kannte ich noch niemanden, der es gelesen hat (es ist ja auch gerade erst erschienen), daher habe ich mich natürlich besonders über Deine Meinung gefreut 🙂 Slapstick-artiger Humor trifft den Nagel auf den Kopf!
Liebe Grüsse
Ariana