Eine bunte Mischung voller Kurzgeschichten rund um Japan, seine Kultur und seine Menschen – toll!
From the unique standpoint of an American woman who married into a Japanese family and has lived in Japan for more than thirty years, Rebecca Otowa weaves enchanting tales of her adopted home that portray the perspective of both the Japanese and the foreigner on the universal issues that face us all—love, work, marriage, death, and family conflict.
Dieses Buch habe ich bereits vor einer gefühlten Ewigkeit gelesen und wollte es erst einmal etwas sinken lassen, bevor ich meine Meinung niederschreibe. „The Mad Kyoto Shoe Swapper and Other Short Stories“ von Rebecca Otowa ist eine bunt gemischte Sammlung von Kurzgeschichten, von denen nicht wenige autobiographisch oder zumindest am Leben der Autorin orientiert sind, Familiengeschichten aufgreifen und Anekdoten von Freunden und Bekannten in einer etwas anderen Form wiedergeben. Dadurch, dass die 13 Geschichten wirklich so vielfältig wie ein Potpourri sind, ist hier für wirklich jeden etwas dabei – von historisch angehauchten Erzählungen rund um den zweiten Weltkrieg zu Samurai-Geschichten und Storys, die in der Gegenwart angesiedelt sind. Und obwohl ich sagen muss, dass ich mit den wenigen historischen Kurzgeschichten eher weniger anfangen konnte, hat mir doch die große Mehrheit wirklich gut gefallen. Wir haben den titelgebenden verrückten Schuhtauscher aus Kyoto, der sich einen Spaß daraus macht, in fremde Schuhe zu schlüpfen, die vor Tempeln stehen. Oder die amerikanische Ehefrau, die in einer Vorstadt von Tokio lebt und mitbekommt, dass ihre Nachbarin ältere Menschen umbringt. Oder die japanische Lehrerin, die sich für ihren Sohn zum Valentinstag Schokolade von der Lehrerin aus Amerika wünscht und bereit ist, dafür einige Dinge in Kauf zu nehmen. Hach, ihr seht, die Themen sind wirklich vielseitig – Traditionen, Erwartungshaltungen und historische Gegebenheiten sind hier verwoben mit Aspekten wie Liebe, Heirat und Familie. Ein wichtiges Thema, das die Autorin am eigenen Leib erfahren durfte (oder eher musste?), ist der Umgang von Japanern zu Ausländern. In ihren Kurzgeschichten zeigt Rebecca Otowa aber nicht nur ihre eigene Perspektive, sondern kann sich nach 30 Jahren in Japan auch in die andere Seite hineinversetzen, sodass wir die Probleme, die sich ergeben, aus beiden Perspektiven betrachten können – was ich als Leser wirklich spannend finde!
How could anyone just say no when asked to do something? Especially a woman? She tried to remember if she had ever done such a thing. Her own mother had set an example of selfless womanhood, right up to the end. That was how women were supposed to be. It was a woman’s job to keep the wheels of society turning smoothly, as it was a man’s job to keep the money coming in. Were foreigners really so fundamentally different?
Bei der Überlegung, welches denn meine Lieblingsgeschichte aus dem Buch war, bin ich ein wenig überfragt. Viele der Storys haben mir Einblicke in den Alltag Japans gewährt, die sonst vermutlich eher hinter verschlossenen Türen bleiben, so etwa die sozialen Konstrukte, die die Themen Ehe und Familie umspannen. Das hat mich besonders fasziniert. Aber auch die Kurzgeschichte „The Turtle Stone“, in der wir einen familiär geführten Süßwarenladen über mehrere Generationen hinweg verfolgen. Wir sehen im Schnelldurchlauf, wie sich der Laden seit den Fünfzigerjahren über die Jahre entwickelt hat, wie der Sohn schließlich das Geschäft seines Vaters übernimmt, als dieser älter wird und wie der Sohn schließlich ebenfalls erwachsen wird. Das Ende (das ich natürlich nicht verraten werde) hat mich dann zu Tränen gerührt – und das, obwohl diese Geschichte gerade einmal 11 Seiten umfasst. Was ich damit sagen will: Rebecca Otowa gelingt es meisterhaft, uns auf wenigen Seiten in eine andere Welt zu entführen und uns komplett damit zu umschließen. Für die Dauer der jeweiligen Kurzgeschichte war ich völlig versunken, die Immersion ist der Autorin wirklich perfekt gelungen. Die kleinen Illustrationen, die von Rebecca Otowa selbst gezeichnet wurden, umranden das Ganze dann noch einmal ästhetisch.
Once I was a crass, loud, ignorant foreigner I had no idea of the infinite nuances of society in this place called Japan. Then, gradually, as I learned more, I started to wear the mask and actually to love it, to feel euphoria, when I edged toward Doing the Right Thing and earned a small, fragile feeling of belonging. I wore the mask with my husband too, and maybe that was a mistake, because it allowed him to dream about what might be.
Fazit: Dieser Kurzgeschichtenband war erfrischend! Rebecca Otowa schafft es, viele verschiedene Themen rund um Japan, seine Bräuche und sozialen Konstrukte zu besprechen – und das jeweils auf kleinstem Raum. Bei vielen Geschichten („The Turtle Stone“, „The Rescuer“, „Uncle Trash“ oder auch „Rhododendron Valley“) hätte ich auch sehr gerne viel mehr aus der jeweiligen Welt gelesen. Da erschienen mir die Geschichten wirklich zu kurz – also nicht im Sinne, dass sie nicht befriedigend abgeschlossen wären, sondern dass ich diese Kurzgeschichten wirklich gerne gelesen habe und mir auch einen Roman basierend auf der entsprechenden Idee durchgelesen hätte. Die Illustrationen und auch gelegentlichen Anmerkungen der Autorin zum soeben Gelesenen werten „The Mad Kyoto Shoe Swapper“ noch ein wenig auf, sodass wir am Ende der Lektüre das Gefühl haben, wir würden nicht nur Japan besser kennen, sondern auch Rebecca Otowa höchstpersönlich. Wer Kurzgeschichten mag, sollte also definitiv zu diesem Buch greifen. Wer sich für Japan und seine Kultur interessiert, ebenso. Und wer sich wie ich aktuell gar nicht gut auf längere Geschichten konzentrieren kann, dem mag ich dieses Buch besonders ans Herz legen. ♥
Dieses Buch wurde mir freundlicherweise von Tuttle Publishing als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
The Mad Kyoto Shoe Wapper and other Short Stories / Rebecca Otowa / Tuttle Publishing / Gebundenes Buch, 160 Seiten / ISBN: 9784805315514 / Erschienen am 24.03.20 / zur Verlagsseite
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