Episodenweise und sprunghaft berichtet Blum von seiner Entwurzelung und der Suche nach der Geschichte seiner Großmutter.
Opoe ist die Fremde. Die fremd gebliebene Großmutter. Nun ist sie tot. Die einsame und exzentrische Frau, die ihn bis zum Schluss gesiezt hat. Der Enkel reist zu den Orten, an denen sie gelebt hat. Nach Holland und in die Schweiz. Versucht, ihrem Schweigen eine Stimme zu geben. Versucht, herauszufinden, wer Sie war, und was das mit ihm zu tun hat. Beide Leben verschränken sich im Ringen um einen Platz in der Gesellschaft. (zur Verlagsseite)
Donat Blums „Opoe“ (sprich: opu — niederländisch für Großmutter) hat mich mit seinem minimalistischen Cover gelockt. Der Klappentext weckte meine Neugier, doch als ich eine Weile später zu lesen begann, konnte ich nicht so richtig Fuß fassen. Donat Blum erzählt in seinem Debütroman von der Großmutter des Erzählers, die dieser kaum kannte, und in einem parallelen Erzählstrang berichtet er aus ihrer Vergangenheit, versucht Opoes Lebensgeschichte nachzubauen. Wir erfahren von der stets distanzierten Großmutter, die ihren Enkel bis zum Ende siezt, von ihrem Leben als junge Frau in den Niederlanden, als Frau eines Blumenhändlers. Gleichzeitig schildert Blum das Liebesleben des Erzählers, der übrigens ebenfalls Donat heißt – inwiefern sein Roman autobiografisch ist, bleibt allerdings offen.
Donat Blum erzählt flüssig und äußerst angenehm zu lesen die Geschichte der Großmutter und auch die des Erzählers. In kurzen Episoden reflektiert der Erzähler sein queeres Liebesleben. Dass er sich nicht an nur eine Person binden kann, scheint für seinen Partner trotz Einwilligung zur offenen Beziehung doch ein Problem zu sein. Donat trifft sich trotzdem mit anderen Männern, verliebt sich, und inmitten des Liebestaumels verschwimmen die verschiedenen Männer immer mehr. Er kann die einzelnen Personen nur anhand der Gefühle, die diese in ihm auslösen, und anhand der Bedürfnisse, die sie befriedigen, auseinanderhalten. Dass sein Partner in der Priorität immer weiter nach unten rutscht, ist dabei nahezu unvermeidbar.
Ich will begreifen, warum ich bei Opoes Tod alle Schotten habe dichtmachen müssen. Ich will begreifen, was zwischen Opoe und mir gewesen ist.
Parallel erfahren wir, wie Opoes Leben abgelaufen ist — oder abgelaufen sein könnte. Da Donat Blum die Grenze zwischen Roman und autobiographischer Erzählung verwischt, weiß man nie genau, was von dem Erzählten wirklich so abgelaufen ist und was nicht. Dass der Erzähler ebenfalls Donat heißt, macht die Sache nicht leichter. Dennoch ist Opoes Leben interessant: Sie verliebt sich in einen Schweizer, verlässt mutig ihre Heimat, die Niederlande, um mit ihm in der Schweiz einen Blumenladen zu eröffnen. Die Tochter, die aus dieser Beziehung entsteht, Donats Mutter, verbringt ihre ersten Lebensjahre jedoch in Holland; die Entfremdung ist vorprogrammiert. Und so entsteht eine unüberwindbare Kluft zwischen Mutter und Tochter und in deren Folge auch zwischen Donat und Opoe. Dass Opoes Tod eine klaffende Lücke aus Unwissen hinterlässt, war zu erwarten, denn erst als sie nicht mehr da ist, sehnt Donat sich nach ihr.
Fazit: Dass Donat Blum sich sonst in essayistischen Gefilden bewegt, merkt man „Opoe“ irgendwie an. Der Inhalt erscheint sprunghaft, oft verschwimmt auch der Fokus und nach der Lektüre stellt man dann fest, dass das Buch mehr über die Sorgen des Erzählers berichtet hat als über die titelgebende Großmutter. Anfangs fand ich es schwierig, mich in Blums Textform einzufinden, erst nach etwa 50 Seiten, was ja bereits ein Drittel des Buches ist, kam ich in einen schönen Lesefluss und fühlte mich in der Geschichte wohl. Im Rückblick ist auch leider nicht so viel von Opoes Leben hängen geblieben, was ich etwas schade finde, da ich es beim Lesen als sehr interessant empfunden habe.
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Ullstein Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Donat Blum, Opoe. Ullstein fünf Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 163 Seiten ISBN: 9783961010127 Erschienen: 10.08.18