Welche Methoden hat die Wissenschaft parat, um dem Tod ein Schnippchen zu schlagen? Frédéric Beigbeder geht dieser Frage mit seinem Roman »Endlos leben« auf den Grund.
»Papa, ich möchte nicht, dass du stirbst.« Dieser Satz seiner Tochter und die Feststellung, dass seine Attraktivität schwindet, führt den fünfzigjährigen Erzähler zu der Erkenntnis: Sein Körper verfällt und steht in keinem Verhältnis zu seiner geistigen Kraft. Ein uraltes Problem, analysiert er. Hat die Menschheit einen größeren Feind als den natürlichen Tod? Faust schloss damals einen Pakt mit dem Teufel, um ihm zu entgehen. Heute beschäftigen sich Genetiker und Mediziner mit der Unsterblichkeit. Wie weit entfernt liegt dieses Ziel? In Reichweite des Erzählers? Zusammen mit seiner Tochter begibt sich Beigbeder auf eine Reise und lotet mit Experten humorvoll, klug und sehr persönlich die Frage nach der ewigen Jugend aus. (zur Verlagsseite)
Ich hatte das Glück, Frédéric Beigbeder auf der Frankfurter Buchmesse bei einem Interview am F.A.Z.-Stand zu sehen, in dem er von seinem neuen Buch „Endlos leben“ erzählte. Zu diesem Zeitpunkt wartete ebendieses bereits daheim auf mich und nach diesem Interview musste ich sofort beginnen, es zu lesen. Beigbeder erzählte, dass es in seinem neusten Buch (eigentlich als „Roman“ betitelt) um die Frage seiner Tochter geht: „Papa, stimmt es, jeder mal stirbt?“ Da er feige sei, habe er dies mit folgendem Satz beantwortet: „Bisher war das so, aber jetzt wird sich etwas daran ändern!“ – und so beginnt Frédéric Beigbeders Reise (oder vielmehr die seines Protagonisten/Alter Egos) um die Welt, zu den fortschrittlichsten Forschungseinrichtungen und zu berühmten Kurhäusern, um alles aufzusaugen und auszuprobieren, was man im heutigen Zeitalter gegen den Erzfeind, den Tod, unternehmen kann. Und Methoden und Forschungsansätze gibt es verdammt viele: vom Transhumanismus (Erweiterung der Lebensdauer durch Technologie) über Genveränderungen bis hin zu der Umkehrung des Altersprozesses. Frédéric Beigbeder schaut sich zusammen mit seiner Familie die verschiedenen Methoden an und fühlt der Wissenschaft gehörig auf den Zahn. Dass er sich dabei immer weiter von seiner Frau entfremdet, merkt er dabei nicht…
Das Leben ist ein Massaker. Ein Mass murder mit 59 Millionen Toten pro Jahr. […] Es ist mir ein Rätsel, warum Terroristen sich solche Mühe geben, die Statistik aufzubessern: So viele Leute wie Mutter Natur können sie nie umbringen. Die Menschheit wird unter allgemeiner Gleichgültigkeit dezimiert. Wir akzeptieren diesen täglichen Genozid, als handele es sich um einen normalen Prozess.
Dieses Buch ist unglaublich schwer einzuschätzen. Ist es ein Roman, sind alle diese Dinge tatsächlich passiert oder gibt es lediglich kleinere Überschneidungen? Frédéric Beigbeder sagt auf der Buchmesse und auch im Vorwort zu „Endlos leben“, dass es all die erwähnten wissenschaftlichen und auch weniger wissenschaftlichen Methoden zur Lebensverlängerung tatsächlich gibt. Auch scheinen der Protagonist und er einiges gemein zu haben… Doch lassen wir diesen Aspekt einmal offen. Beigbeders „Endlos leben“ liest sich wie ein skurriler Trip durch die abgedrehtesten Neuheiten, die der Verjüngungsmarkt zu bieten hat: Bluttransfusionen mit dem Blut junger Menschen, die Übertragung des eigenen Bewusstseins auf eine Festplatte, eine ganz spezielle Ernährung, die niemandem schmeckt, aber trotzdem den Tod in Schach halten soll… Beigbeder wendet sich jedoch nicht nur der Wissenschaft zu, als Atheist besucht er auch die heiligen Stätten in Jerusalem und nimmt neben einigen Eindrücken der Kultur auch den Wunsch, zu glauben, mit auf seine weiteren Reisen.
Doch während die Gespräche mit den Wissenschaftlern und Forschern alle sehr technisch sind (Beigbeder bemüht sich dennoch um Dummy-gerechte Erklärungen), scheint das Leben außerhalb dieser Begegnungen für unseren Protagonisten ein einziges Fest zu sein: Geld hat er genug, um mindestens ein Jahr mit seinem Job zu pausieren (und diese ganzen Reisen zu unternehmen – geschweige von den Behandlungen!), er hat die schönste Ehefrau der Welt, die liebsten Kinder und kann auf eine glorreiche Vergangenheit zurückblicken. Da erscheint es nur logisch, dass er sich wünscht, dass sein Leben nie zu Ende geht.
Fazit: Dieser Roman bringt uns zahlreiche neue Erkenntnisse der Medizin und Wissenschaft näher und zeigt uns auf, mit welchen Methoden man den Tod vielleicht ein wenig länger abwehren kann – und ist dabei nie trocken oder öde. Frédéric Beigbeder schafft es mit seinem Humor und seiner Selbstironie, den Leser immer weiter in seinen Kampf gegen den Tod zu ziehen, wir drücken dem Protagonisten (und natürlich auch uns!) die Daumen, dass irgendwo auf der Welt bereits eine Methode entwickelt wurde, wie man endlos leben kann. Beigbeder spricht allerdings auch die negativen Aspekte an, die mit einem endlosen Leben einhergingen, wie die krasse Überbevölkerung. Neben dem eigentlichen Roman findet der Leser immer wieder Listen eingestreut, wie etwa zum Thema „Vor- und Nachteile des Todes“, die zum Schmunzeln einladen. „Endlos leben“ ist ein toller Roman über einen Vater, der eigentlich nur das Leben seiner Liebsten komplett miterleben möchte. Da mich der Chauvi-Lifestyle außerhalb der Ehe des Protagonisten etwas gestört hat, ziehe ich einen Punkt ab. 😉
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Piper Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Frédéric Beigbeder, Endlos leben. Piper Verlag Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 352 Seiten ISBN: 9783492059237 Erschienen: 02.10.18
Das Buch klingt wirklich toll. Ich habe es schon einige Male gesehen und sicher zieht es auch bei mir ein =)
Liebe Grüße,
Zeilentänzerin