Hallo ihr Lieben!
Der Winterblues hat mich im Griff und irgendwie habe ich auch das Gefühl, dass meine letzten Lektüren da vielleicht ein wenig mit reingespielt haben im Sinne von „alles doof“. 😀 Heute möchte ich euch drei der Romane vorstellen, die mich durch den November begleitet haben und die unterschiedlicher nicht sein könnten. Bei allen drei Titeln muss ich leider sagen, dass sie wohl nichts für mich waren. Während die Prämisse mich immer überzeugen konnte, lag es im einzelnen bei jedem Buch irgendwie an der Erzählsprache: zu lange Sätze, an deren Ende man bereits den Beginn vergessen hat (Decoin), (übermäßiger) Gebrauch von Wörtern wie „Arsch“ und „Nigger“ (Beatty) oder auch die für meinen Geschmack zu gestelzte Sprache (Sorokin) haben einen faden Nachgeschmack hinterlassen, auch wenn die Story an sich komplett mein Ding war.
Im Folgenden findet ihr eine knappe Klappentextangabe zu jedem Buch und eine knackig kurze Meinung.
Didier Decoin, „Das Ministerium der Gärten und Teiche“
Japan im 12. Jahrhundert: Der vom Kaiser begünstigte Karpfenfischer Katsuro kommt ums Leben, und es gibt nur eine Person, die ihn ersetzen kann. Miyuki, seine junge Frau, weiß um das geheime Leben der Karpfen. Also begibt sie sich auf eine abenteuerliche Reise, um die wertvolle Fracht an den kaiserlichen Hof zu bringen.
[…] in Wahrheit war sie nie fünfzehn gewesen, sie hatte nur zwei Jahre gelebt: ein erstes, sehr langes, sehr unnützes bis zu ihrer Heirat und ein zweites, strahlend, aber zu kurz, das geendet hatte, als die Bewohner von Shimae ihr den eiskalten und schlammbedeckten Körper ihres Mannes gebracht hatten.
Dieses Buch begleitet mich tatsächlich nicht erst seit November, sondern bereits einige Zeit länger. Nachdem ich die ersten 50 Seiten gelesen habe, legte ich das Buch erst einmal zur Seite, denn die Erzählsprache konnte mich nicht so recht begeistern. Als ich es dann kürzlich auf meinem Schränkchen „wiederentdeckte“, machte ich kurzen Prozess und las es an einem Stück aus. Eigentlich hätte dieses Buch, nach dem Klappentext zu urteilen, ein richtiges „Tina-Buch“ sein müssen. Das an Melissa Broders „Fische“ erinnernde Cover weckte allerdings einen leichten Beigeschmack. Das Japan, das beschrieben wird, ist tatsächlich sehr interessant, skurrile Riten und Bräuche sind an der Tagesordnung, und oft habe ich mich über das für damalige Zeiten wohl korrekte Benehmen der Charaktere gewundert. Die Folklore Japans ist allerdings sehr spannend, und sehr oft habe ich mich dabei erwischt, wie ich kuriose Mythen nachschlagen musste (bestes Beispiel: das Organ shirikodama, das die Seele beinhaltet und sich im Anus eines Menschen befindet und von Kappa gegessen wird; das Zähneschwärzen [ohaguro]). Nichtsdestotrotz zog sich die Lektüre, was wohl teilweise an den ausufernden Beschreibungen und meterlangen Sätzen lag. Generell gilt bei Didier Decoins Roman auch „What you see is what you get“: Es passiert exakt das, was auf dem Klappentext beschrieben wird, Platz für Überraschungen blieb nicht. Natürlich gibt es den ein oder andere verrückten Moment, den Miyuki durchleben muss, dennoch hat mir beim „Ministerium der Gärten und Teiche“ das gewisse Etwas gefehlt. Trotz allem ist es dennoch sehr rührend zu beobachten, wie sie versucht, ohne ihren Mann, ihre bessere Hälfte, ihr Leben zu meistern, und über den Tod sinniert.
Klett-Cotta, 348 Seiten, ISBN: 9783608962376. Erschienen am 30.08.18. Zur Verlagsseite
Paul Beatty, „Der Verräter“
Dickens, ein Vorort von Los Angeles, ist der Schandfleck der amerikanischen Westküste: verarmt, verroht, verloren. Zugleich ist es der ganze Stolz seiner schwarzen Einwohner, eine Bastion gegen die weiße Vorherrschaft. Hier zieht der Erzähler von „Der Verräter“ friedlich Wassermelonen und Marihuana. Doch als sein bürgerrechtsbewegter Vater durch Polizeigewalt stirbt und die Gentrifizierung den gesamten Vorort auszuradieren droht, wird er unversehens zum Anführer einer neuen Bewegung: Mit seinem Kompagnon Hominy führt er Sklaverei und Rassentrennung wieder ein…
»Wenn mir so etwas passiert, dem schlauesten Schwarzen auf der ganzen Welt, dann überleg mal, Nigger, was einem dummen Arsch wie dir passieren kann. Der Rassismus mag tot sein, aber das heißt noch lange nicht, dass man Nigger nicht ohne Vorwarnung abknallt.«
Gelockt von dem auffälligen Cover und der Versprechung einer bissigen Satire, zog mich Beattys Buch magisch an. Dass ein Schwarzer die Rassentrennung und die Sklaverei wieder einführen möchte, erschien mir doch eine gewagte Prämisse. Aber bereits auf der ersten Seite, mit dem ersten Satz, wird der Leser überrumpelt von den Ergüssen des Ich-Erzählers Bonbon, der vor Gericht sitzt. Während der Prolog dicht angereichert ist mit allerlei Aussagen, Vorwürfen, Flüchen und selbstverständlich dem N-Wort, ist der Rest des Buches ein wenig angenehmer zu lesen, obwohl der Sprachgebrauch in Dickens hierzulande nicht wenige Köpfe verdrehen würde. Es mag in einigen Gegenden tatsächlich so zugehen, doch mir war das alles zu krass. Abgesehen davon, dass ich die Hälfte der Zeit nicht wusste, ob ich überhaupt alles verstehe. Meint der Autor das ernst, ist das Teil der Satire oder möchte er einfach nur schockieren? Ich weiß es nicht. Der spannendste Teil war für mich der, in dem Bonbon von seiner grausamen Kindheit erzählt. Sein Vater, Psychotherapeut der gruseligsten Art, führte Experimente an seinem Sohn durch, die ihn nachhaltig verstörten. Auch wenn sich mir bei diesen Teilen der Erzählung die Haare sträuben, haben sie Bonbon als Charakter die Tiefe hinzugefügt, die mir beim wilden Schlagabtausch mit seinen Freunden gefehlt hat. Die Geschichte, die hinter dieser harten Sprache steckt, mag durchaus interessant sein und Potenzial haben, doch aufgrund dieser habe ich auch trotz Backstory keinen Zugang zum „Verräter“ gefunden.
Luchterhand Verlag, 350 Seiten, ISBN: 9783630875750. Erschienen am 15.10.18. Zur Verlagsseite
Vladimir Sorokin, „Manaraga. Tagebuch eines Meisterkochs“
In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts werden Bücher nicht mehr gelesen, geschweige denn neu gedruckt, sie dienen als Brennmaterial für die Zubereitung exklusiver Speisen. Book’n’Grill heißt der neue Trend und Chefkoch Geza ist sein Hohepriester. Stör-Schaschlik über Dostojewskis »Der Idiot« oder Schnitzel über Arthur Schnitzler, mit diesen und anderen Kreationen begeistert er seine zahlungskräftige Klientel. Doch was Erfolg hat, findet auch Nachahmer und so sieht sich Géza plötzlich vor unerwartete Probleme gestellt.
Schaschlyk vom Stör auf dem ›Idioten‹. Vollwertiger Roman, mittlere Gewichtsklasse: 720g, 509 S.,Velinpapier, Ganzleinen. Ausreichend für acht Spieße.
Auf den Erscheinungstag von „Manaraga“ habe ich richtig hingefiebert, denn dieses Buch klang nach etwas Neuem, etwas Besonderem und etwas, wovon ich mir sicher war, dass ich es verschlingen würde. Dem war leider nicht so. Nachdem in den ersten 50 Seiten zunächst einmal Erläuterungen und Erklärungen kommen, was Book’n’Grill ist, wie es entstand und wie die richtige Art ist, ein Buch zu „lesen“ (lesen bedeutet als Scheit verwenden), folgten Tagesabläufe unseres Protagonisten, wie mit dem Buchtitel angekündigt. Die vorangehenden Seiten voller Erläuterung fühlten sich jedoch nicht natürlich an. Während mich die Story völlig vereinnahmt hat – Grillen auf brennenden Büchern und Flöhe im Hirn, die dir den Alltag erleichtern, come on! – und der Ich-Erzähler Géza wirklich spannende Dinge erzählt über diese nahe Zukunft, wurde ich mit der gesamten Erzählsprache nicht so richtig warm. Von Autoren vergangener Zeiten wird gesprochen wie vom Jahrgangs-Wein, was mir sehr gut gefallen hat, dennoch wird der Stil irgendwie mit der Zeit immer dröger und es gibt auch mehrere „Buch im Buch“-Momente, von dem einer gute 50 (unspannende) Seiten lang ist. Alles in allem war die Prämisse von Sorokins Werk sehr spannend, der Stil war allerdings leider nicht meins.
Kiepenheuer & Witsch, 250 Seiten, ISBN: 9783462318760. Erschienen am 08.11.18. Zur Verlagsseite