Ein charmantes Sachbuch, mit liebevollen Anekdoten gespickt, verrät uns alles, was wir jemals über Meisen wissen wollten (und noch mehr).
Wussten Sie, dass Meisen der Vielweiberei frönen, Fledermäuse töten, weil deren Gehirn besonders lecker schmeckt, und sich in der Luft wie fliegende Dinosaurier verhalten? Andreas Tjernshaugen, Ornithologe aus Leidenschaft, zeigt, was wir über Meisen alles nicht wissen, er enthüllt uns eine faszinierende Welt direkt vor unseren Augen, die uns bisher verborgen blieb. Ein Jahr lang hat Tjernshaugen ihre Gewohnheiten beobachtet. Nach der Lektüre seines Tagebuchs werfen wir einen anderen Blick auf die Vögel vor unserem Fenster. (zur Verlagsseite)
Andreas Tjernshaugens „Das verborgene Leben der Meisen“ ist mir zunächst bei einer Lovelybooks-Leserunde ins Auge gefallen. Wenig später durfte der Meisenführer in toller Aufmachung dann auch bei mir einziehen. Bei diesem Buch handelt es sich allerdings nur auf den ersten Blick um ein herkömmliches Sachbuch, denn wer erst einmal reinliest, merkt schnell, dass der Autor hier nicht nur viele Jahre Arbeit, sondern auch Herzblut hineingesteckt hat. Tjernshaugen hat nicht nur ein ganzes Jahr der Meisen-Beobachtung gewidmet, sondern gräbt auch tief im Fundament seiner Erinnerungen und erzählt nicht nur aus seinem Leben, sondern auch aus dem seines Vaters – der auch begeisterter Hobby-Ornithologe ist. Die einzelnen Kapitel über die unterschiedlichen Themengebiete sind immer wieder von schönen und teils auch witzigen Anekdoten aus Tjernshaugens Leben und das seines Vaters eingeflochten. So wird das „Meisenbuch“, das auch mit beeindruckenden Fotos und Illustrationen gespickt ist, zu etwas persönlichem. Klingt interessant? Ist es auch! Hobby-Ornithologen kommen hier gehörig auf ihre Kosten und auch der Vogel-Neuling (ich) wird von den kleinen Vögeln und ihren Eigenarten gefangen genommen. Ob wir nun lernen, dass die kleinen Piepmätze sich nicht mit einem kleinen Territorium begnügen, sondern mindestens 2.500, in manchen Fällen gar bis zu 30.000 Quadratmeter für sich beanspruchen, wenn das Gebiet weniger ertragreich und meisenfreundlich ist; oder dass eine Kohlmeise eine Blaumeise tötet, wenn sich denselben Nistkasten benutzen wollen — Andreas Tjernshaugen schafft es, die recht trockene Materie der Vogelkunde toll aufzubereiten.
Auf knapp 240 Seiten lernt der Leser so einiges über Meisen. Manche Dinge erscheinen unglaublich und verrückt: Hättet ihr zum Beispiel gewusst, dass Meisen Bienen fressen? Oder, dass männliche Meisen durch ihren Gesang ihr Revier gegen andere Meisenmännchen verteidigen wollen? Tjernshaugen weiht uns auch in die Meisenforschung ein, die bisher betrieben wurde, und so lernen wir, dass Wissenschaftler das Singverhalten der männlichen Meisen untersucht haben, indem sie Tonbänder von lauten, kräftigen Meisenrufen abgespielt haben, um Terrainstreits zu imitieren. Die Beobachtungen sind faszinierend! Dass Vögel intelligent sind, stand nie außer Frage, doch was Tjernshaugen in seinem Buch an Informationen über die Piepmätze zusammengetragen hat, ist unglaublich: So hat sich unter anderem herausgestellt, dass Meisen ihr Revier gegen andere Vogelarten verteidigen, nicht jedoch gegen andere Meisenarten! (Obwohl die Tötung im Nistkasten durchaus vorkommt) Und genauso erstaunlich ist es, dass es wohl zu Urzeiten auch Dinosaurier gegeben haben soll, die mit Federn ausgestattet waren — der Urvater der Meisen also womöglich ein riesiger Dino war! Der Autor gräbt allerhand Skurrilitäten über unsere gefiederten Freunde aus, und oftmals sind die Informationen nicht nur völlig neu für den Leser, sondern auch absolut unglaublich.
Die kleinen Vögelchen in unserem Garten sind viel mehr als niedlich und Tjernshaugens Buch kann dem Leser völlig neue Sichtweisen offenbaren. Toll ist auch die Ausstattung am Ende des Buches: Dort findet der Leser Anregungen und Tipps zum Nistkastenbau, Fütterung der Flattermänner und allen anderen wichtigen Infos, die man als Vogelbeobachter so braucht! Dieses Sachbuch deckt also nicht nur Themen von Gesang und Geschichte, dem Sozialleben der Meisen, deren Paarungsverhalten und Nachwuchs bis hin zu dem Winterumzug der Vögel und dem Überleben in einer Umgebung mitten im Klimawandel ab, sondern bringt noch weiteres Lesefutter mit zur Meisenfütterung, (besonders in der Winterzeit) oder der Vogelerkennung durch Stimme oder Aussehen.
Fazit: Andreas Tjernshaugen legt mit „Das verborgene Leben der Meisen“ ein Sachbuch vor, das unsere Wissenslücken über die kleinen Vögel schließt. Die Lektüre eröffnet uns eine neue Sichtweise auf die kleinen, „ach so süßen“ Vögelchen am Ende des Buches ist vermutlich niemand mehr der Meinung, dass Meisen harmlos sind. Vogel-Fans wie Neulinge in der Welt der gefiederten Freunde finden sicher ihren Spaß an diesem doch sehr persönlichen Sachbuch, das uns nicht nur Einblicke in die Welt der Vögel schenkt, sondern auch in die Welt der Ornithologen.
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Insel/Suhrkamp Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Andreas Tjernshaugen, Das verborgene Leben der Meisen. Insel/Suhrkamp Steifbroschur, 234 Seiten ISBN: 9783458177234 Erschienen: 23.10.2017