Ein Sachbuch über Mythen und Sagen aus Japan, das leider ganz extrem an Strukturmangel leidet und so sein Potenzial verschenkt.
Japanese folklore is abundant with tales of ghostly creatures and the supernatural. In Haunted Japan, author Catrien Ross reveals the legends that have been passed down for generations and continue to terrify us today. To research this book on the country’s ghosts, demons and paranormal phenomena, Ross collected accounts from across Japan. The result is an unparalleled insight into the dark corners of the Japanese psyche—a world filled with horrifying creatures including Oni (demons with fierce and ghastly appearances), Yurei (Japanese ghosts who inhabit the world of the living), and Yokai (supernatural monsters).
Dieses Buch lag schändlicherweise schon eine ganze Weile auf meinem SUB, bevor ich es gelesen habe – vielleicht war es aber auch eine Vorahnung, die mich so spät dazu hat greifen lassen. Wer mich kennt, weiß, dass ich nur gelegentlich Sachbücher lese. Da mich Japan und seine Kultur aber sehr interessiert, dachte ich, Catrien Ross‘ „Haunted Japan. Exploring the World of Japanese Yokai, Ghosts and the Paranormal“ wäre der perfekte Einstieg in die Welt von Mythen und Sagen. Doch leider hat mich das Buch mehr enttäuscht als ich nachher an frischem Wissen mitgenommen habe. Doch zurück zum Anfang: Catrien Ross lebt seit mittlerweile mehr als 25 Jahren in Japan – als spirituelle Lehrerin und Heiler. Da ihre Leidenschaft darauf beruht, geht es in den ersten Kapiteln – nachdem man sich durch Forword, Preface und Introduction gekämpft hat (warte, was?) – um die Geschichte des Aberglaubens in Japan und die starke Verbundenheit mit der mystischen Welt. Dafür nimmt Ross Seher, Heiler und andere Arten von Medien (Mediums? Media?) mit übernatürlichen Fähigkeiten unter die Lupe. Leider schlägt „Haunted Japan“ damit eine ganz andere Richtung ein, als ich erwartet hatte, weshalb ich diese ersten Kapitel nicht so genossen habe. Aber dann geht es endlich ans Eingemachte und der Leser erhält Einblick in spannende Mythen und Sagen… Oder denkt man zumindest, denn in den folgenden Kapiteln reiht die Autorin Absatz für Absatz gruselige Geschichte an gruselige Geschichte, häufig mit keinem, manchmal mit merkwürdigem Zusammenhang: „Oh, wo wir bei Haaren sind, da gibt es übrigens einen verrückten Baum…“ – hier hätte ich mir eine strukturiertere Vorgehensweise gewünscht, gerne mit Zwischenüberschriften, wie sie im vorletzten Kapitel dann auch endlich genutzt werden. Und auch gerne ein wenig mehr Content pro Sage. Im letzten Abschnitt des Buches erzählt Catrien Ross dann völlig kontextlos drei japanische Gruselgeschichten neu. Auch hier mit Zwischenüberschriften (juhu!), aber dafür eben völlig aus dem Kontext gerissen. Alle anderen Mythen wurden wenn überhaupt nur angerissen, und diese nicht nur in voller Länge erzählt, sondern auch ein wenig neuinterpretiert.
Leider hatte ich mir von diesem Buch etwas völlig anderes erhofft: Erläuterungen zu Yokai und Yurei (wie das Cover auch ein wenig andeutet), also Portraits über diese Gestalten plus die Geschichten, die sich darum ranken. Ich habe definitiv nicht damit gerechnet, dass die Autorin erst einen riesigen Abstecher zu Wunderheilern, Löffelbiegern und Medien macht. Dadurch ging für mich schon sehr viel des Lesevergnügens verloren. Immerhin gewinnt man einen Eindruck, warum Japan sich zum Paradebeispiel einer Dichtomie (Moderne vs. Tradition) entwickelt hat. Die kurzen Erzählungen über Mythen und Sagen später sind zwar durchaus interessant, weisen aber keinerlei Struktur auf und waren in dieser Aneinanderreihung für mich nicht besonders gut lesbar. Hier hätte die Kategorisierung in Oberbegriffe, etwa „Bäume“ o. Ä. schon sehr geholfen.
Für den Japan-Einsteiger, der sich noch nicht mit der Kultur auskennt und wie ich einen leichten Einstieg in die Welt der Yokai und Yurei sucht, hält besser Ausschau nach einem anderen Buch. Kappa oder die Frau mit dem langen Hals (s. Cover) oder auch andere bekannte Yokai/Yurei werden beispielsweise überhaupt nicht erläutert, was ich richtig schade finde. Was mir aber gut gefallen hat, war Ross‘ Schreibstil, der liest sich wirklich gut, sodass die 192 Seiten trotz allem wie im Flug vergingen. Im Mittelteil des Buches finden sich dazu noch farbige Prints aus der Geisterwelt, die ich wahnsinnig spannend finde.
Also: Wer ein Faible für das Übersinnliche und speziell Paranormale hat (Löffel biegen, etc.), kann hier einiges an Wissen mitnehmen. Jeder, der für dieses „Special Interest“ nicht so viel übrig hat, schaut sich einfach nach einem Sachbuch um, das die Wesen samt deren Geschichten portraitiert. Das werde ich im Übrigen jetzt tun. Zum Glück hat der Tuttle Verlag direkt zwei Bücher im Programm, die perfekt dazu passen: Yokai Attack! und Yurei Attack! 🙂
Catrien Ross / Haunted Japan. Exploring the World of Japanese Yokai, Ghosts and the Paranormal / Tuttle Publishing / Taschenbuch, 192 Seiten / ISBN: 9784805315828 / Erschienen am 01.09.20 / zur Verlagsseite
Ich grusel mich ja für mein Leben gerne. Das Buch hab ich zu Weihnachten bekommen und fand es einfach Klasse! Die Geister der japanischen Kultur sind so anders als die europäischen. Super interessant!