Eine spannende Idee, die großartig umgesetzt wurde und trotz ihrer Kürze vollkommen überzeugen kann!
Eines Tages erscheint auf der Erde ein seltsamer Kristall. Das Objekt stammt aus den Tiefen des Weltalls und es enthält die Botschaft „Alarm! Alarm! Der Weltenzerstörer kommt!“ Forscher und Militärs weltweit rätseln noch über den Sinn dieser Nachricht, als sich ein gewaltiges Raumschiff wie ein Ring um den gesamten Planeten legt, um die Ressourcen der Erde in kürzester Zeit aufzusaugen. Die Menschheit steht vor der größten Aufgabe seit dem Beginn ihrer Geschichte: Wie wehrt man sich gegen ein kosmisches Ereignis, das den ganzen Planeten für immer vernichten kann? (zur Verlagsseite)
Vor noch nicht allzu langer Zeit (Was? Das ist schon ein Jahr her?) habe ich bereits Cixin Lius „Spiegel“ gelesen – ebenfalls eine Novelle, die wie „Weltenzerstörer“ auch nicht mehr als 70 Seiten umfasst. „Spiegel“ konnte mich sehr überzeugen, die anderen Werke Lius (wie irgendwie die meiste Science Fiction) umfasst aber pro Buch jeweils mindestens 500 Seiten, weshalb ich mich dafür entschied, es erst nochmal mit einer weiteren Novelle von ihm zu versuchen. Wie Cixin Lius andere Novelle wurde auch hier der dünne Taschenbuch-Band gestreckt mit einem Vorwort, einem Essay und einer Leseprobe eines anderen Werks des Autors. Nichtsdestotrotz fand ich den Klappentext sehr vielversprechend, weshalb „Weltenzerstörer“ kurzerhand bei mir einzog. Es geht um einen merkwürdigen Kristall, der plötzlich um die Erde herumschwebt und nicht nur das Bewusstsein einer weit entfernten Spezies in sich trägt, sondern auch eine Warnung: Der eigene Planet wurde von dem sogenannten Weltenzerstörer ausgebeutet und danach ausgespuckt, alles Leben darauf vernichtet und komplett verwüstet hinterlassen. Und nun ist er unterwegs zur Erde. Das einzig Positive: Der Weltenzerstörer ist noch 100 Lichtjahre weit entfernt und die Menschheit hat Zeit, sich vorzubereiten und der Zerstörung der Erde entgegenzuwirken. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit…
Wow! Das war mein erster Gedanke, nachdem ich Cixin Lius neueste Novelle beendet und zur Seite gelegt hatte. Dieser Autor hat ein Händchen für kurze, spannende Sci-Fi-Geschichten, würde ich mal behaupten! Obwohl der Schreibstil sehr nüchtern und technisch gehalten ist, kam ich sehr gut in die Geschichte hinein und konnte das Buch auch, einmal mit dem Lesen angefangen, nicht mehr beiseitelegen. Sehr rasant und spannungsgeladen reißt der „Weltenzerstörer“ einen richtig mit. Der krampfhafte Versuch der Menschheit, innerhalb der 100 Jahre eine Möglichkeit zu finden, den Weltenzerstörer abzuwehren und siegreich (und vor allem lebend) aus der Begegnung mit dem riesigen Schiff hervorzugehen, ist einfach nur wahnsinnig gut erzählt; Cixin Liu schafft es, dass ich noch lange nach der Lektüre über diese Novelle nachgedacht habe und die Geschichte auch gleich weitererzählen musste.
Der Leser lernt zudem eine wichtige Lektion, als Beißer, Käptain des Weltenzerstörers, fast zeitgleich mit dem Kristall zur Erde gelangt und sein Vorhaben, die Erde auszuquetschen wie eine Zitrone, kundtut: Beißer nimmt den ersten Kontakt an einer archäologischen Ausgrabungsstelle auf und erzählt den Menschen von der ältesten Ameisenkolonie der Welt, die bereits seit Urzeiten lebt und sogar die Eiszeit überlebt hat – deren letzte Mitglieder die Menschen am Ausgrabungsort achtlos vernichtet haben. Die Analogie zum Weltenzerstörer, der sich erbarmungslos über die Erde hermachen wird, ist unübersehbar. Beißer bringt die Geschichte lebhaft zum Ausdruck und seine Erzählung zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Novelle. Zudem kann ich euch vielleicht schon verraten, dass die Geschichte ein rundes Ende hat – Ein Aspekt, der mir auch bereits bei „Spiegel“ sehr gut gefallen hat. Nicht selten lese ich Kurzgeschichten oder Novellen, deren Ende irgendwie wenig bedacht scheint. Doch bei Cixin Liu ist das anders, bei der Lektüre hatte ich das Gefühl, dass er jeden Strang der kleinen Erzählung auf die Goldwaage gelegt und erst aufgehört hat zu schreiben, als sich alles perfekt wie ein Puzzle zusammengefügt hat.
Fazit: Eine weitere grandiose Science-Fiction-Novelle vom preisgekrönten, hochgelobten Meister der chinesischen Science-Fiction! So kurz die Geschichte auch sein mag, umso größer erscheint die Idee und das ganze World-Building von Liu. Diese zwei Aspekte hat er meisterhaft umgesetzt. Ein Buch, das sich auch Menschen mit wenig Zeit zum Lesen auf jeden Fall anschauen sollten – „Weltenzerstörer“ ist wirklich eine sehr lohnenswerte Leseerfahrung.
Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Heyne Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Cixin Liu, Weltzerstörer. Heyne Verlag Taschenbuch, 122 Seiten ISBN: 9783453319257 Erschienen: 13.08.2018
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