Spannender Zukunftsroman, der jedoch unter einem sehr pathetischen und klischeebehafteten Schreibstil leidet.
Ich muss gestehen, dass John Marrs‘ Roman „The One“ bereits in der englischen Ausgabe im Regal stand (ungelesen ob des nicht so ansprechenden Covers) und ich dann trotzdem noch die deutsche Ausgabe kaufen musste. Natürlich, mit ihrer fast komplett weißen Aufmachung und pinkem Seitenschnitt ist sie auch ein echtes Schmuckstück. Und das Unvorstellbare geschah: Ich las das Buch sofort, nachdem ich es gekauft habe! :-O Das habe ich gefühlt seit Harry Potter nicht mehr getan. Soweit, so gut! Es geht also um die nahe Zukunft, in der ein Gen entdeckt wurde, dass sich immer nur zwei Menschen auf der Welt teilen. Auf Basis dieses Gens soll also der „Seelenverwandte“, der „Partner fürs Leben“ gefunden werden können – und den Genen ist es dabei natürlich egal, wie alt oder jung, groß oder klein man ist oder wo man wohnt und welches Geschlecht man denn hat. So ergeben sich weltweit Matches und bestehende Beziehungen brechen reihenweise auseinander, da man sich plötzlich sicher ist, dass das Glück bei einem völlig fremden Menschen liegt und nicht beim Partner, den man vielleicht schon jahrelang hat. Das geht so weit, dass Personen, die keinem Match zugeordnet werden können, als Bürger zweiter Klasse gelten.
»Ich gehe in meiner Freizeit der Frage nach, wie das Imperium es geschafft hat, den Todesstern zu bauen, ohne dass der Rest des Universums etwas davon mitbekommen hat. Und in der Zwischenzeit entdeckst du Gene, von denen kein Mensch wusste, dass es sie überhaupt gibt.«
John Marrs fokussiert sich bei seinem Roman dabei nicht auf die Geschichte von ein oder zwei Personen, sondern erzählt gleich aus mehreren Perspektiven. Die Lebensgeschichten der einzelnen Charaktere sind dabei ganz besonders. So lernen wir Nick kennen, dessen langjährige Freundin darauf besteht, den Test zu machen, um „sicher zu gehen“, dass die beiden auch wirklich die Richtigen füreinander sind. Es kommt, wie es kommen muss, und Nick hat ein anderes Match – einen Mann, Obacht! Dabei ist er doch auf gar keinen Fall homosexuell und kann sich eine Beziehung mit einem Mann auch nicht vorstellen. Bis er sein Match dann trifft. Eine weitere Geschichte dreht sich um Christopher, der sich selbst als Psychopath bezeichnet und die Stadt unsicher macht – als Serienkiller. Auch er macht eines Tages den Test, aus reiner Neugier, welche Frau denn zu ihm passen könnte und wie er sie manipulieren kann. Stellt sich heraus, dass sie Polizistin ist…
So verstrickt sind alle dieser Geschichten, in jeder passiert etwas Unvorhergesehenes und die Charaktere müssen dann schauen, wie sie damit umgehen. Dabei verweilt John Marrs nicht lange bei den jeweiligen Charakteren, sondern wechselt gerade wenn es spannend wird wieder zurück zu jemand anderem. So muss man jeweils einen „Durchgang“ von 5 oder 6 Kapiteln warten, bis es weiter geht. Die Kapitel sind aber alle ziemlich kurz (2-5 Seiten), besonders am Anfang des Buchs kam ich damit allerdings nur schwerlich zurecht. Viele Charaktere und ihre Bekannten, Freunde und Kollegen mussten erst einmal kennengelernt werden, und ich hatte oft Probleme, mich an die Personen zu erinnern, weil die Kapitel so abgehackt waren. Dadurch entstand aber auch ein interessanter Lesefluss, denn die Spannung wurde so stark erhöht und das Tempo zog auch an. So habe ich die knapp 500 Seiten innerhalb von zwei Tagen weggeatmet, obwohl ich mit diesem Buch so manches Problem hatte.
Die Wermutstropfen beginnen dabei, dass jede Geschichte, die um den jeweiligen Charakter gesponnen wird, manchmal verkrampft wendungsreich war. Twist folgt auf Twist folgt auf Twist… Als hätte der Autor sich gedacht, dass eine 08/15-Story den Leser nicht hinterm Herd hervorgelockt hätte. Denn nun zu meinem zweiten Kritikpunkt: der Schreibstil. Oh Gott, wie habe ich mich gewunden! Denn John Marrs schreibt zwar spannungsvoll, aber irgendwie auch pathetisch, und an vielen, vielen Stellen war der Cringe-Faktor sehr hoch. Ich kam mir teilweise vor, als würde ich ein Buch aus der Sparte der verpönten „Frauenliteratur“ (wie ich diesen Begriff hasse!) lesen, es war alles etwas cheesy und vor alledem auch stark klischeebehaftet (schöne Menschen haben doch keine Probleme, denn sie sind doch schön!), was ich als durchaus problematisch empfand. Ich habe euch ein nettes Beispiel herausgesucht:
»Ich war ziemlich verliebt in ihn. Aber er? Vielleicht am Anfang. […] Am Schluss hatte ich den Eindruck, dass er nur an Sex interessiert war und mich benutzt hat.« – »Wirklich?« Mandy war überrascht, empfand es aber insgeheim als Genugtuung, dass auch hübsche Frauen manchmal benutzt werden.
Zudem empfand ich die Definition eines Wachkomas als merkwürdig. Aussagen wie „Ein Wachkoma ist etwas ganz anderes als ein Koma. […] Er hat das Bewusstsein verloren und nimmt auch seine Umwelt nicht wahr.“ empfinde ich als schwierig – ist nicht der Unterschied zwischen beiden, dass der Patient beim Wachkoma… wach ist? Bitte klärt mich gerne auf, eine kurze Recherche über Google hat nicht so viel Klarheit erbracht.
Fazit: Für einige Lesestunden hatte ich durchaus meine Freunde an „The One“, obwohl mir der Schreibstil gar nicht gefallen hat. Die Seiten flogen nur so dahin und ich war nach einem etwas erschwerten Einstieg sehr neugierig, wie die jeweiligen Geschichten weitergehen. Am besten gefallen hat mir Christophers Part, denn hier kann man aus einer für mich als Krimi-Nichtleserin neuen Perspektive das Geschehen und auch die Morde mitverfolgen. Das war spannend! Die Idee zum Gen mit dem Match fand ich sehr gelungen. Auf dem Buchdeckel steht die Frage, ob man diesen Test machen würde, um sein „perfektes Match“ zu finden. Ich bin ganz schön neugierig und ich glaube, deshalb würde ich den Test machen – auch wenn ich aktuell in einer glücklichen Beziehung stecke.
John Marrs / The One / Heyne Verlag / Taschenbuch, 496 Seiten / ISBN: 978-3-453-32061-1 / Erschienen am: 21.10.19 / zur Verlagsseite