Ein kurzes Buch. das uns ein wenig Trost spenden will in der aktuellen Lage, indem es vergangene Pandemien durch einen äußerst sympathischen Protagonisten beleuchtet.
Seit die Seuche alles in ihrem Bann hält, darf Matteo seine Wohnung nicht mehr verlassen. Vom Fenster aus beobachtet er eine prachtvoll blühende Magnolie, ansonsten ist das Leben in der kleinen Stadt beinahe zum Erliegen gekommen. Gäbe es nicht die Nichte, die sich um ihn kümmert, und eine Nachbarin, die Blumen und Wein vor seine Tür stellt, wäre er ganz auf sich allein gestellt. Um die unerhörte Zeit der Pandemie zu meistern, schmiedet Matteo einen Überlebensplan. Sechs Bücher, die vom Alten Testament bis in die Gegenwart führen und sich mit Seuchen beschäftigen, verschaffen ihm Einsichten über das Leben, das ihm am Ende kostbarer erscheinen wird als je zuvor.
Ja, ich habe auch erst einmal geseufzt, als ich den plumpen (oder plakativen?) Titel von Martin Meyers Erzählung im Programm vom Kein & Aber Verlag las. Uns steht noch eine ganze Welle an Literatur zum Thema Pandemie oder eben speziell Corona bevor – die Menschheit muss dieses Thema eben auch irgendwie verarbeiten. Doch lesen möchten die meisten vermutlich aktuell nicht darüber (obwohl für viele die Pandemie schon vorbei zu sein scheint, wenn ich raus oder in die Nachrichten schaue). Ein genauerer Blick auf den Klappentext dieses mit 200 Seiten sehr kurzen Büchleins hat sich aber gelohnt, denn was dort stand, klang richtig interessant – ein Streifzug (in Gedanken, da der Protagonist in Quarantäne steckt) durch die literarischen Werke, die die Vergangenheit zum Thema Pandemien hervorgebracht hat. Und der Versuch, in den Erkenntnissen von damals Trost und Hoffnung für die aktuelle Situation zu finden. Meine Neugier war geweckt und so habe ich „Corona“ dann letzten Endes in einem Stück gelesen. Der ältere Herr Matteo hockt in Quarantäne, weil er glaubt, sich angesteckt zu haben, kränkelt vor sich hin, denkt über Sinn und Unsinn des Lebens nach und beschließt dann kurzerhand, sich in die Pandemie-Lektüre seit dem alten Testament einzulesen. Wie gut, dass er sich als alteingesessener Buchhändler die Literatur einfach aus seinem im Erdgeschoss gelegenen Buchladen „ausleihen“ kann. Und schon geht die Reise los, auf zu Pest und Cholera!
Es fing, wenn es war, was es wohl werden würde mit einem Kratzen an. Bald darauf würde sich Fieber einstellen. […] Diese Symptome waren schwächer oder stärker, doch steuerten sie in der Regel auf das Forte zu. Wie bei einem Orchester, dessen Stimmen sich nach und nach zusammenfanden, um die Hauptmelodie anfangs leise, dann deutlicher, dann forte und zuletzt fortissimo zu spielen, endete die Krankheit dann ebenfalls in einem mächtigen Fortissimo.
Ich muss leider mit einem Minuspunkt anfangen, denn ich hatte viel mehr Input und auch „Learnings“ aus den Werken erwartet, aber unser Martin Meyer reißt die Bücher nur an und gibt uns dann einen kleinen Abriss über das Leben und Leiden der jeweiligen Protagonisten und wie die Menschen damals mit den Seuchen umgegangen ist. Das ist grundsätzlich sehr spannend, doch habe ich leider nicht erkannt, was Matteo aus der Literatur für sich mitgenommen hat an Erkenntnissen. Da das doch eigentlich die Prämisse des Buches war, bin ich da doch etwas enttäuscht. Und hier komme ich zum großen Aber! Denn durch einen fantastischen, leichtfüßigen und sehr kopflastigen (meint: sehr viele innere Monologe) Schreibstil konnte mich der Autor doch noch für seine Erzählung begeistern. Matteo ist als Protagonist sehr sympathisch (hey, er ist Buchhändler!) und das Grundgerüst des Romans, das Kammerspiel in Quarantäne, hat mir überaus gut gefallen.
Die Literatur, mit der sich Matteo beschäftigt, reicht übrigens vom Alten Testament (Blattern) über Daniel Defoe bis zu Thomas Mann und Albert Camus (Pest). Aber auch Cholera und andere Epi- und Pandemien werden thematisiert.
Vielleicht hat jede Epoche die Seuchen, die sie verdient.
Fazit: Obwohl ich vorhin negativ mit dieser Besprechung begonnen habe, bin ich doch mit einem guten Gefühl aus dem Buch gegangen. Matteo übersteht die Quarantäne – und genauso wie er können auch wir gestärkt aus dieser Pandemie hervorgehen und daraus lernen. Auch, wenn die Schlussfolgerungen, die Matteo aus seiner Lektüre zieht, nicht offensichtlich für den Leser sind, kann dieser doch seine eigenen „Learnings“ daraus mitnehmen. Insofern empfehle ich dieses Buch gerne, auch wenn wir aktuell alle mittendrin in diesem Thema sind. Zum plumpen Titel: Das Wort „Corona“ fällt tatsächlich nur ein einziges Mal, als Matteo eine Schlagzeile aus der Zeitung liest. 😉
Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Kein & Aber Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Martin Meyer / Corona / Kein & Aber Verlag / Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 208 Seiten / ISBN: 978-3-0369-5837-8 / Erschienen am 16.06.20 / zur Verlagsseite