Jedes Jahr im Januar lesen auf Instagram unglaublich viele Menschen beim #januaryinjapan mit. Ich natürlich auch! Gleich zehn Bücher von japanischen Autoren habe ich im Januar gelesen. Einige der Highlights wollte ich euch kurz vorstellen, bevor sie komplett untergehen.
Mizuko Tsujimura, Lonely Castle in the Mirror
Eine Schülerin der Mittelstufe hat in der Schule mit starkem Mobbing zu kämpfen, sodass sie sich eines Tages weigert, weiter zur Schule zu gehen. Dadurch entdeckt sie, dass der Spiegel in ihrem Zimmer aufleuchtet und sie hindurch gehen kann. Was zunächst nach Narnia klingt, ist in Wirklichkeit eine fantastische Geschichte über Freundschaften, das japanische Schulsystem und – das habe ich in einem Roman aus Japan bisher noch nie so offen thematisiert gesehen – mentale Gesundheit. Hinter dem Spiegel verbirgt sich ein Schloss und andere Jugendliche ihres Alters, die offenbar auch nicht zur Schule gehen. Ein junges Mädchen mit Wolfsmaske taucht auf und informiert sie darüber, dass im Schloss ein Schlüssel versteckt ist, der einem einen Wunsch erfüllt… Doch anstatt die Jagd zu starten, wird das Schloss zu einem Rückzugsort für die Teens und es bilden sich Freundschaften.
Ein wunderbares Buch, das mich über einen längeren Zeitraum begleitet hat. Dass das Thema mentale Gesundheit so offen thematisiert wird, war für mich wirklich neu in asiatischer Literatur. Auch Mobbing ist besonders in Japan ja ein Tabu-Thema, über das nicht gerne gesprochen wird – darüber liest man aber viel. In „Lonely Castle in the Mirror“ erhalten wir also nicht nur einen Blick auf das Geschehen an japanischen Schulen, sondern auch darauf, was das mit einem Menschen macht. Und auch, wenn mir das Ende etwas zu sehr erklärt wurde im Vorhinein, kann ich doch sagen, dass dieses Buch ein richtiges Highlight für mich war. Das Buch erscheint am 22.03.; ich hatte das Glück, es über Netgalley lesen zu können.
Kazuki Kaneshiro, Fly, Daddy, Fly
Kaneshiros „Fly, Daddy, Fly“ stand bereits seit geraumer Zeit im Regal und hat Staub gesammelt. Zum Glück habe ich es endlich gelesen! Es geht um ein junges Mädchen, das krankenhausreif geprügelt wird, und ihren Vater, der den Entschluss fasst, sie zu rächen. Kurzweilig, zum Mitfiebern und einfach toll geschrieben. Kazuki Kaneshiro hat übrigens auch „Go!“ geschrieben (ebenfalls bei Cass erschienen), das zähle ich ebenfalls zu meinen Lieblingsbüchern. Ganz großes Kino! ♥
Akiyuki Nosaka, The Whale that fell in Love with a Submarine
Dieses Buch habe ich auf Instagram gesehen und ganz spontan gekauft, ohne zu realisieren, um was es im Detail geht. Hinter dem knalligen Cover mit netten Illustrationen verbergen sich nämlich einige der traurigisten Kurzgeschichten, die ich jemals gelesen habe. Dreh- und Angelpunkt ist der 15. August 1945, der Tag, an dem die USA den zweiten Weltkrieg gewann, und die Menschen, die diesen Moment erleben – oder eben gerade nicht mehr. Verbrennende Mütter, die ihr Kind in den Flammen mit ihrem Schweiß befeuchten, verhungernde Mütter, die der Wind wegträgt, zurückgelassene Kinder… Bei jeder einzelnen dieser Geschichten ist mir das Herz gebrochen. Daher seid gewarnt, wenn ihr euch auf dieses Buch einlassen wollt.
Fun Fact: Akiyuki Nosaka hat auch die Kurzgeschichte „Das Grab der Leuchtkäfer“ geschrieben, die die Grundlage für den bekannten Ghibli-Film geliefert hat. Ein guter Indikator für den Grad der Traurigkeit der hier enthaltenen Kurzgeschichten. Es gibt diese Sammlung auch mit einigen weiteren Geschichten (leider ohne die „Glühwürmchen“), dafür aber ohne Illustrationen.
Mieko Kawakami, Heaven
In diesem Buch begleiten wir einen Schüler mit einem „lazy eye“, der jeden Tag aufs Grausamste gemobbt wird. Eines Tages findet er auf seinem Tisch einen Brief von Kojima, einer Klassenkameradin, die ebenfalls Opfer schlimmen Mobbings ist, und die beiden beginnen, sich täglich Briefe zu schreiben. So entwickelt sich nach und nach eine Freundschaft. Was hoffnungsvoll und tröstlich klingt, ist in Wirklichkeit viel krasser, als ich erwartet hätte. Am Anfang erinnerte mich „Heaven“ noch an „Ms. Ice Sandwich“, das ich vor einer Weile gelesen hatte, doch dieses Gefühl verflog ziemlich schnell. Mein hoffnungsvoller Blick auf die Zukunft der beiden Charaktere wurde komplett zerstört, als wir en detail brutalste Attacken auf unseren Protagonisten verfolgen – diese waren teilweise so hart, dass ich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen habe und mein Herz raste bezüglich Kawakamis Plänen für ihren Charakter. Hier braucht man definitiv eine Triggerwarnung – oder besser, drei. Dieses Buch befasst sich zudem auch mit Gedanken darüber, warum bestimmten Menschen immer schlimme Dinge passieren und warum Mobber so oft damit durchkommen können. Wer Kawakamis Schreibe von „Brüste und Eier“ kennt und mag, sollte sich dieses Buch unbedingt anschauen – vorausgesetzt, man kommt mit der Thematik klar.
TW: Mobbing, explizite(!) Gewalt, Suizidgedanken