Ein weiteres „Corona-Buch“ – sprachlich gelungen, leider aber doch etwas fragmentarisch und stellenweise konfus.
Noch immer lebt Lola Randl im Großen Garten, weit weg vom Gewimmel der Großstadt. Hier glaubt sie den Neurosen der Städter entkommen zu können. Als sich im Frühjahr 2020 ein neues Virus mit kronenartigen Zacken über den gesamten Erdball ausbreitet, stellt sich jedoch schnell die Frage, wie abgeschieden man hier draußen wirklich ist. Die Erzählerin wird von Fieber und Husten heimgesucht und ist sich sicher: Sie hat das Virus längst. Es dauert nicht mehr lange und die gesamte Welt scheint aus den Fugenzu geraten. Niemand weiß wirklich, wie am besten zu verfahren ist. Täglich machen neue Schreckensnachrichten die Runde, während sich eine völlig ungekannte Angst ausbreitet. Alle sollen Abstand zueinander halten, möglichst nicht mehr vor die Tür gehen. Aber gilt das auch hier in der Einöde?
Dies ist jetzt also schon das dritte Buch über die Pandemie, das ich lese. In den vergangenen Monaten habe ich „Corona“ (Martin Meyer) sowie „Als die Welt stehen blieb“ (Maja Lunde) gelesen – keines von beiden war jedoch so verrückt wie Lola Randls „Die Krone der Schöpfung“. Die namenlose Ich-Erzählerin wohnt in einem kleinen Örtchen Deutschlands und bemerkt inmitten von Berichterstattungschaos und neuen Hygiene-Regelungen, dass sie wohl infiziert ist. Doch anstatt vorsichtshalber Rücksicht zu nehmen, turnt sie weiterhin durch die Gegend, als wäre nichts – das macht sie sofort zu einer klaren Unsympathin. Doch dieses Urteil kann ich nur unter Einschränkungen treffen, denn sie berichtet von ihren Recherchen zu einer Serie, die sie gerade schreibt, von Parasiten, die ihren Wirt so besetzen, dass sie Kontrolle über dessen Körper übernehmen können. Geschieht auch dies mit unserer Erzählerin?
In fragmentartigen Abschnitten berichtet die Protagonistin vom Alltag in ihrer Familie und in ihrem Kopf unmittelbar bevor und während der ersten Corona-Welle. Mit dem Erzählstil muss man sich anfreunden können, ebenso wie mit den hin- und herspringenden Thematiken, die die Erzählerin bespricht. Und zwischendrin gibts natürlich auch den Entwurf der Zombie-Serie zu lesen, der aber meiner Meinung nach mehr Lückenfüller als wertvolle Ergänzung zum Roman ist.
Wenn man sich an die besondere Erzählweise gewöhnt hat, kann man die Irrungen und Wirrungen der Erzählerin mit Spannung verfolgen und mag sich gar nicht ausmalen, was sie (oder das Virus, das sie steuert?) noch alles tun wird. Titel und Cover nehmen noch mal deutlich Bezug auf das Geschehen – man kommt dahinter, sobald man das Buch – zugegeben etwas erschöpft – zugeschlagen hat.
Natürlich weiß ich, dass es der Virus ist, der möchte, dass ich jemand Fremden küsse, weil den Mann und den Liebhaber hat es ja schon angesteckt. Ich weiß nicht, ob ich dem Virus den Wunsch erfüllen kann. […] Und da wurde mir plötzlich klar, wie sehr das Virus mich eigentlich braucht. Dass es nur durch mich überhaupt leben kann. Wenn ich sterbe, sirbt das Virus auch.
Ein besonderes Buch, das mit seiner speziellen Covergestaltung und seinem tollen Format sicherlich in der Buchhandlung sofort ins Auge fällt. Wer sich mit fragmentarischen Romanen anfreunden kann und dem es auch gern etwas verworrener sein darf, der ist mit Randls „Krone der Schöpfung“ und dem satirischen Blick auf Pandemie-Deutschland gut bedient. Mir war besonders das Ende leider zu konfus und die Zombie-Geschichte hätte auch gerne wegfallen dürfen, dennoch habe ich Lola Randls neues Werk gerne gelesen – gerade sprachlich war es sehr kurzweilig, auch, wenn es um komplexere und auch traurigere Themen und Ereignisse ging.
Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Matthes & Seitz Verlag im Rahmen einer Lovelybooks Leserunde zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Lola Randl / Die Krone der Schöpfung / Matthes & Seitz / Gebundenes Buch, 214 Seiten / ISBN: 978-3-75180-006-8 / Erschienen am 02.09.20 / zur Verlagsseite
Hallo Tina!
Vielen Dank für diese tolle und treffende Rezi 🙂
Ich persönlich fand ja gerade das Konfuse an diesem Roman besonders unterhaltsam – und irgendwo auch genau passend zur Thematik. Die Lektüre hat mir jedenfalls großen Spaß bereitet und mir Lust darauf gemacht, auch den Vorgängerroman zu lesen.
Herzliche Grüße
Sandra