Heute habe ich wieder mal ein kleines Potpurri an Büchern für euch vorbereitet, die ich in der letzten Zeit gelesen habe, bei denen ich aber nicht genug Redebedarf für eine „große“ Besprechung habe. Deshalb gibt es kurz und knackig jetzt drei Bücher in einer schnellen Herzblatt-Runde!
Maria Engstrand: Code Elektra
Ausgerechnet an Halloween finden Malin und Orestes einen weiteren alten Brief und die Suche nach dem Rutenkind wird immer mysteriöser. Unheimliche Dinge geschehen, unerklärliche Ereignisse nehmen ihren Lauf … Dieses Mal ist Orestes’ kleine Schwester Elektra in ein Geheimnis verstrickt. Kann sie Teil der Lösung sein oder ist sie Teil des Rätsels?
Nachdem mir der erste Teil von Maria Engstrands Jugend-Trilogie, „Code Orestes“, so wunderbar gefallen hat, fällt der Folgeband leider in die Kategorie „Typisches Trilogie-Ding“. Denn leider enttäuscht „Code Elektra“ wie so viele zweite Bände von Trilogien. Und da ich nach dem tollen ersten Teil wirklich nicht mit dieser Erwartungshaltung an das Buch gegangen bin, war ich umso überraschter, dass hier irgendwie die Luft raus war. Dabei hat „Code Elektra“ doch so viel Potenzial: Liebevoll gezeichnete, besondere Charaktere, unheimlich sympathische Familien der Protagonisten und vor allem Rätsel! Doch leider fehlte mir hier das gewisse Etwas. Malins Vater hat sich nun mehr und mehr von der Familie distanziert und kümmert sich um die Jobsuche viel lieber um die Probleme von Orestes‘ Mutter, verschwindet für ganze Tage und unterstützt seine eigene Familie gar nicht mehr. Malin hinterfragt dies zwar, beschäftigt sich aber nicht genauer damit und konfrontiert ihren Vater auch nicht mit seinem eigentümlichen Verhalten. Auch sonst stagniert ihre Charakterentwicklung leider, genau wie bei den anderen beiden zentralen Figuren Orestes und Elektra. Über Elektra wissen wir auch nach der Lektüre „Code Elektra“ nicht wirklich viel, obwohl sie hier doch eigentlich im Zentrum der Handlung stehen sollte. Was mir aber dennoch gut an diesem Buch gefallen hat, war die in die Handlung integrierte Zusammenfassung des ersten Bandes, was besonders gut ist, wenn man den ersten Teil nicht mehr haargenau im Kopf hat. Zudem war das Erzähltempo gewohnt flott und die Gesamte Story war äußerst kurzweilig, wenn auch leider nicht sehr erinnerungswürdig. Dennoch werde ich bei Erscheinen mal in Band drei reinschnuppern, denn wenn ich eins von Trilogien gelernt habe, ist es, dass man eine solche niemals nach ihrem zweiten Band beurteilen sollte!
Code Elektra / Maria Engstrand / Mixtvision Verlag / Gebundenes Buch, 384 Seiten / ISBN: 978-3-95854-157-3 / Erschienen am 18.08.20 / zur Verlagsseite
Maja Lunde: Als die Welt stehen blieb
Sie sind eine fünfköpfige Familie. Die Erwachsenen haben sich gerade gestritten, als die Nachricht vom Lockdown eintrifft: Von nun an werden sie zu Hause sein. Alle zusammen. Jeden Tag. Die Autorin Maja Lunde ist daran gewöhnt. Sie ist das Home Office gewöhnt. Aber nicht das Home Schooling. Sie hat große dystopische Romane geschrieben, aber sie hat nie in einer Dystopie gelebt. Doch jetzt ist die Pandemie da und die Familie muss eine neue Lebensweise finden. Wie geht so etwas?
Maja Lunde ist uns allen ja mit ihren Klima-Büchern mehr als bekannt. „Die Geschichte der Bienen“ schlug damals ein wie eine Bombe, die Folgebände „Die Geschichte des Wassers“ und „Die Letzten ihrer Art“ setzten die Reihe erfolgreich fort. Während sie an Band vier schrieb, kam also der Lockdown im März. Also nahm sie sich eine Auszeit (konzentrieren konnte sie sich sowieso nur schwer – kennen wir alle!) und fasste ihre Gedanken, Gefühle und Erlebnisse aus dieser Zeit in „Als die Welt stehen blieb“ zusammen. Sie erzählt von den Momenten, als der Lockdown in Norwegen ausgerufen wurde und davon, wie ihre Familie nun auf kleinem Raum zusammen leben muss. Sie schildert die Herausforderungen, die Berufstätige mit Kindern vermutlich alle miterlebt haben, von den Umstellungen im Alltag und vor allem den Problemen, die diese Notsituation aufgrund von Corona mit sich gebracht hat. Die Kleinen wollen ihre Oma besuchen, die Autorin ihre eigene Großmutter, aber geht das überhaupt? Und wie kann man das Zusammenleben mit verschiedenen Generationen unter einem Dach in so einer Lage gestalten? Kurzweilig und sehr emotional schildert Maja Lunde die Ereignisse und lässt uns daran und an ihrer Gefühlswelt teilhaben. „Als die Welt stehen blieb“ ist ein erzählendes Sachbuch, das so gut geschrieben ist, dass ich es beinahe in einem Rutsch ausgelesen und mich in vielen Situationen wiedererkannt habe.
Wenn dies ein Roman wäre, würde man ihn dann als Dystopie bezeichnen? Das Wort Dystopie hat den Geschmack von großer Dramatik, nicht von Homeoffice, Geschirrstapeln, Desinfektionsmittel und Lagerkoller.
Als die Welt stehen blieb / Maja Lunde / btb Verlag / Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 224 Seiten / ISBN 978-3-442-77097-7 / Erschienen am 28.09.20 / zur Verlagsseite
Rye Curtis: Cloris
Nachdem sie auf wundersame Weise einen Flugzeugabsturz überlebt hat, muss sich die zweiundsiebzigjährige Texanerin Cloris Waldrip durch die unbarmherzige Wildnis der Bitterroot Mountains im Norden der USA schlagen – ausgerüstet mit einem einzelnen Stiefel, einer Bibel und ein paar Karamellbonbons. Aber jemand scheint eine schützende Hand über Cloris zu halten. Ist sie doch nicht allein?
Vor meiner Lektüre hatte ich viel Kritik zu Rye Curtis‘ „Cloris“ gehört – das hat mich zum Glück aber nicht von der Lektüre abgehalten! Es geht also um die alte Dame Cloris, die sich nach einem Flugzeugabsturz in der schier unendlichen Wildnis zurechtfinden und vor allem Überleben muss. Während ihres mehrwöchigen, unfreiwilligen Aufenthalts in den Wäldern wird sie zu einer Kämpferin, die alles dran setzt, um zurück in die Zivilisation zu finden. Dabei erfahren wir so einiges über sie, denn sie erzählt dem Leser viel von ihrem Leben vor dem Unglück – wie sie und ihr Mann regelmäßig zur Kirche gingen, wie die beiden sich überhaupt kennengelernt haben, bis hin zurück zu Cloris‘ Kindheit. Wir lernen, dass Cloris immer schon widerspenstig und zielstrebig war – Eigenschaften, die ihr in der Wildnis zugute kommen. Während unsere 72-jährige Protagonistin sich bemüht, dem immer trüber werdenden Wetter zu trotzen, kommt der parallele Erzählstrang rund um eine Rangerin, die sich in den Kopf gesetzt hat, Cloris unbedingt finden zu wollen, in Gang. Debra ist eine eigenwillige Person, ruppig, nicht besonders gesprächig, vermutlich Alkoholikerin, und verwendet das Wort „gottverdammt“ viel zu häufig. Das scheint ihren neuen Kollegen nicht abzuhalten, ihr trotzdem auf die Pelle zu rücken, und es beginnt eine merkwürdige Beziehung, mit der sie sich nicht so recht wohlzufühlen zu scheint. Zudem scheint Cloris in der Wildnis einen Verfolger zu haben – ist er Freund oder Feind?
Rye Curtis erzählt hier ruppig und schnörkellos vom Leben der Ranger der Bitterroot Mountains sowie dem Überlebenskampf von Cloris. Ich muss aber gestehen, dass mich die merkwürdigen Ranger hier weitaus weniger interessiert haben als das ganze Geschehen rund um Cloris selbst. Man fiebert den gesamten Roman über mit ihr mit und hofft, dass sie es entgegen all der Widrigkeiten doch irgendwie aus dieser „gottverdammten“ Wildnis heraus schafft.
Ich war in diesem kleinen Flugzeug bis ans Ende einer Welt gelangt, und nun wurde ich in eine andere hineingeboren, als ich inmitten der schrecklichen Stille durch den Riss kletterte.
Cloris / Rye Curtis / C. H. Beck Verlag / Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 352 Seiten / ISBN: 978-3-406-75535-4 / Erschienen am 16.07.20 / zur Verlagsseite
Liebe Tina
Ich mach solche knackigen Überblicke genau so sehr, wie ausführliche Rezensionen. Eine bunte Mischung hast du auf jeden Fall zusammengestellt.
„Cloris“ reizt mich sehr, die anderen Bücher aber leider weniger, das hat aber nicht nur mit deiner Kurzmeinung zu tun sondern vor allem damit, dass du mit dieser Meinung nicht alleine dastehst 😉
Ganz liebe Grüsse
Livia