Was passiert, wenn bedingungslose Liebe ad absurdum geführt wird? Eine junge Frau lässt sich lieber in einen Hund verwandeln, als allein zu sein.
Liebeskummer ist brutal, allumfassend und gefühlt grenzenlos. Doch was, wenn es einen irrwitzigen Ausweg daraus gäbe? Alma Mathijsen überschreitet in dieser tragikomischen Geschichte mühelos die Grenze zwischen Wirklichkeit und Traum und erzählt dabei herrlich skurril von Liebe, Verzweiflung und schrägen Ideen, auf die man wohl nur im emotionalen Delirium kommen kann.
Dieses kleine Büchlein sprang mich aus einer Pressemitteilung heraus mit Cover und Titel nahezu an und spätestens, nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, musste ich „Ich will kein Hund sein“ von Alma Mathijsen lesen. Wir spulen ein paar Wochen vor, ich lege das Buch nach der Lektüre aus der Hand und bin ein bisschen baff und sprachlos, denn dieses mit 160 Seiten doch sehr schmächtige Buch lässt den Leser gekonnt in den Kopf einer liebeskummerkranken Frau abtauchen, die die Trennung rückgängig machen und einfach nur wieder an der Seite des (Ex-)Partners sein möchte. Während sie daheim in Selbstmitleid und Nostalgie badet, durchforstet sie dubiose Anzeigen im Internet, die ihr über die Trauer hinweg helfen sollen. Zwischen Saftkur und Wellness findet sie eine Anzeige, die ihr das richtige Maß an Kosten und Schmerz verspricht – und eine Lösung ihres Problems! Denn laut dieser Anzeige verwandelt dieses Unternehmen Menschen in Hunde, damit diese in ihrem neuen Leben wieder mit ihrem ehemaligen Partner zusammen sein können – denn wer wünscht sich nicht insgeheim einen Hund? Selbst wenn nicht, wird ganz im Geheimen ein „Hundewunsch“ bei der betreffenden Person ausgelöst, sodass jeder frisch verwandelte Vierbeiner alsbald in sein neues Heim kann. Dass diese Prozedur äußerst schmerzhaft ist, ist unserer Protagonistin (die wir nur unter dem Kosenamen ihres Exfreundes – „Flauf“ – kennenlernen) relativ egal – hauptsache, es lenkt sie von ihrem Liebeskummer ab. Eigentlich ist es ihr sogar lieber, möglichst viel Geld und körperlichen Schmerz einzusetzen, denn nur, wenn es richtig weh tut, kann es ihr helfen – davon ist sie überzeugt. Der Gedanke „Ich will ein Hund sein“ nimmt Gestalt an – und so willigt Flauf der wahnwitzigen Prozedur ein, getreu dem Motto: Lieber ein Hund werden als ewiger Liebeskummer.
Wer kann einem sagen, wie es ist, ein glücklicher Mensch zu sein? Wo findet man so jemanden? Ich weiß, dass ich gerade dabei bin aufzugeben. Es wird mir nicht mehr gelingen, ein glücklicher Mensch zu werden, deshalb werde ich jetzt ein glücklicher Hund.
Ich muss sagen, dass Alma Mathijsen alles aus den wenigen Seiten herausholt und ein so realistisches Bild einer vielleicht nicht ganz gesunden Beziehung und dem Trennungsschmerz zeichnet, den unsere Protagonistin durchleben muss. Der Entzug nach vielen gemeinsamen Jahren sticht schon fast aus den Buchseiten heraus in das Herz des Lesers. Irgendwann jedoch ist der Punkt erreicht, an dem jeder andere Mensch vermutlich mit dem eigenen Leben weitergemacht hätte, nicht jedoch Flauf, die alle Spritzen und Mixturen dankend, beinahe willenlos, annimmt. Und dann ist es soweit: Wir werden Zeuge einer Verwandlung – die natürlich einige kuriose Nebenwirkungen mit sich bringt. So hat Flauf in der Bahn untentwegt das Bedürfnis, Menschen an verheilenden Wunden zu lecken oder im Park den Enten hinterherzurennen. Das ist witzig zu beobachten, und ich habe mich für die Protagonistin gefreut, dass sie in diesen kleinen Momenten Ablenkung vom Herzschmerz hatte. Doch die Verwandlung schreitet unermüdlich voran und bald sprießt ihr ein weiches Fell.
Fazit: Diese Novelle zeigt eindrücklich, was eine beendete Beziehung mit einem machen kann – und wozu wir bereit sind, um der Einsamkeit zu entkommen. Die Verwandlung in einen Hund bedeutet auch die vollständige Unterwerfung – und wie sich zum Abschluss von „Ich will kein Hund sein“ zeigt, will die eigentlich selbstbewusste und starke Flauf dies wirklich nicht.
Weißt du, dass man alles, was man täglich tun muss, auch weinend tun kann? Wie zum Beispiel Zähne putzen, das geht sehr gut, während man weint. […] Kochen kann man weinend, kauen ist etwa schwieriger, aber nicht unmöglich. Glücklicherweise esse ich kaum etwas. Pinkeln kann man weinend und scheißen auch. Einschlafen klappt prima, wenn man weint, ebenso gut aufstehen.
Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom C. H. Beck Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Alma Mathijsen / Ich will kein Hund sein / C. H. Beck Verlag / Gebundenes Buch, 159 Seiten / ISBN: 978-3-406-76847-7 / Erschienen am 27.01.21 / zur Verlagsseite