„Das flüssige Land“ von Raphaela Edelbauer zog bei mir ein, noch bevor es auf der Shortlist des Buchpreises landete, lag dann aber erst eine Weile auf meinem SUB, bis ich doch endlich dazu griff – welch Glück! Bereits auf den ersten Seiten fühlte ich mich abgeholt, der Schreibstil konnte mich direkt packen und die Geschichte entwickelte einen richtigen Sog. Gefühlt hat jeder es bereits gelesen, doch für die, die es noch auf dem SUB liegen haben, möchte ich noch einmal ein paar Worte zum Inhalt verlieren:
Ruths Eltern sind durch einen Autounfall ums Leben gekommen und sie muss sich jetzt um die Beerdigung kümmern. In der letzten Zeit hatte die Physikerin jedoch nur sporadisch Kontakt mit den beiden und weiß noch nicht einmal, wo dieses Groß-Einland denn überhaupt sein soll. Nach einer Recherche und mehreren Telefonaten stellt sich heraus: Groß-Einland gibt es gar nicht! Kurzerhand fährt Ruth blindwegs los und kommt schließlich doch in dem verschlafenen Städtchen an, das auf keiner Karte zu finden ist. Und ab diesem Moment verwandelt sich die vorher noch halbwegs ernste und nüchterne Geschichte in eine Art… ja, in was eigentlich? Ich habe das Gefühl, Alice im Wunderland kommt dem am nächsten: Es gibt eine Gräfin, alle Anwohner Groß-Einlands sind seltsam und dann gibt es da auch noch dieses riesige Loch im Stadtzentrum, über das niemand sprechen will. Die Stadt droht einzustürzen, sinkt immer weiter ab, und Schuld daran ist ein riesiger Bergbau, der Anno dazumal vom Pergerhannes exzessiv ausgebaut, aber nicht ausreichend gesichert und gestützt wurde. Dieses Loch scheint die Bewohner Groß-Einlands gleichermaßen abzustoßen und anzuziehen, nur reden will niemand darüber. Und so begibt Ruth sich auf die Suche nach der Wahrheit hinter all dem. Klingt abgedreht? Ist es auch.
»Haben Sie ein Zimmer frei?«, fragte ich. – »Alles ausgebucht«, sagte Frau Erna, ohne aufzublicken. – »Der Nachtwächter hat mir diese Pension empfohlen.« – »Natürlich haben wir Zimmer frei«, sagte die Frau mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte sie nicht gerade noch das Gegenteil behauptet. »Mein Name ist Dorothee, wenn Sie etwas brauchen, melden Sie sich.« Ich zeigte auf den Schriftzug auf ihrer Brust. »Aber da steht doch Frau Erna.« – »Aber nein, das ist der Name des Gasthofs.« – »Ist das hier nicht die Pension zum Fröhlichen Kürbis?« – »Doch, doch.«
Ich muss sagen, die Carroll’sche Art von „Das flüssige Land“ hat mir sehr gut gefallen. Alle Charaktere haben etwas eigenes, stechen markant heraus, das ganze Städtchen ist kurios. Jedoch ging dem Roman gegen Ende ein wenig die Luft aus, sodass ich mich durch die letzten knapp 100 Seiten ein wenig gequält habe. Dennoch muss ich sagen, dass ich den größten Teil dieses Buchs sehr genossen habe, dass sowohl das Erzählerische als auch die Geschichte selbst mir sehr zugesagt haben, da die Charaktere und auch das Setting einzigartig und besonders waren und ich auch nicht das Gefühl hatte, so etwas in der Art irgendwann bereits gelesen zu haben. Natürlich könnte man hier jetzt noch sehr ausführlich über Groß-Einland sprechen, über das, was es und seine Bewohner darstellen, aber ich finde, das haben einige andere bereits so großartig getan, dass ich dem nichts mehr hinzuzufügen habe.
Raphaela Edelbauer / Das flüssige Land / Gebundenes Buch, 350 Seiten / ISBN: 978-3-608-96436-3 / Erschienen am 24.08.19 / zur Verlagsseite